Power and Terror
Zivilbevölkerung zu verbieten, erfolgreich abwehren, worüber große Staatsmänner wie Lloyd George hoch erfreut waren: »Wir haben uns das Recht vorbehalten, Nigger zu bombardieren«, meinte er 1932.
Soviel zu Großbritannien.
Wenn wir uns noch weitere Länder anschauen, sei es Belgien oder Deutschland oder Frankreich, finden wir eine ähnliche Situation. Den Franzosen etwa ging es, so ihr Kriegsminister, in Algerien darum, »die einheimische Bevölkerung auszurotten«.
Das gehörte zu ihrer zivilisatorischen Mission, wie andererseits die Ermordung von einhunderttausend Filipinos durch das US-Militär vor einhundert Jahren zur zivilisatorischen Mission der Vereinigten Staaten gehörte.
Mithin wäre es falsch, die Vereinigten Staaten als »Reich des Bösen« zu bezeichnen. Sie waren nach 1945 der mächtigste Staat der Welt und sind es bis heute geblieben.
War die US-Intervention in Jugoslawien ein Akt der Humanität und infolgedessen gerechtfertigt?
Das ist eine lange Geschichte. Die Politik der USA hat sich fortwährend geändert. Anfänglich, vor etwa zehn Jahren, war Washington die stärkste Stütze des damals noch vereinten Jugoslawien. Als Slowenien und Kroatien 1991 den Bundesstaat verließen, wurden sie sehr schnell von Deutschland anerkannt, das seine eigenen Interessen in der Balkanregion wahrnahm und dabei die Rechte der serbischen Minderheit unberücksichtigt 88
ließ, was zwangsläufig zur Katastrophe führen mußte.
Die Vereinigten Staaten wandten sich zunächst gegen diese Politik, aber als die Großmächte ihr Balkanschach begannen, entschied Washington sich für Bosnien als Spielfigur. Die US-Regierung blockierte eine Friedensregelung, die durchaus sinnvoll gewesen wäre, nämlich den sogenannten Vance-Owen-Plan, der von dem ehemaligen US-Außenminister Cyrus Vance und dem Briten David Owen entwickelt worden war. Er war nicht unproblematisch, unterschied sich aber nicht wesentlich von dem, was nach jahrelangen mörderischen Konflikten am Ende herauskam.
Die Vereinigten Staaten übten auf die bosnische Regierung Druck aus, den Plan abzulehnen, was voraussehbarerweise in der Folgezeit zu Mord und Totschlag führte. Schließlich griffen die USA ein und erzwangen 1995 das Abkommen von Dayton.
Das alles dürfte man kaum als von humanitären Absichten geleitet bezeichnen. Die einzelnen Entscheidungen mögen richtig oder falsch gewesen sein, aber humanitäre Erwägungen waren schlichtweg nicht vorhanden. Das gilt in noch größerem Maße für das Kosovo, dessen Bombardierung ausgezeichnet dokumentiert ist.
Gerade die Bewertung der Kosovo-Aktionen ist sehr
interessant. Viele Kommentatoren äußerten sich enthusiastisch über eine »neue Ära in der Menschheitsgeschichte«, der
»humanitären Intervention« usw. Diese Selbstbeweihräucherung ignoriert die umfassenden Dokumentationen des US-Außenministeriums, der NATO, der Europäer, der Kosovo-Verifikationsmission, der OECD, der Vereinten Nationen und der am Konflikt beteiligten Regierungen der Balkanstaaten.
Diese Dokumente belegen, was wirklich geschah.
Die Literatur über den Balkankrieg nimmt von alldem
keinerlei Notiz. Soweit ich weiß, sind meine Bücher The New Military Humanism und A New Generation Draws the Line20
die einzigen, die das reichhaltige Material gesichtet haben.
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Daraus läßt sich folgendes ablesen: Es sind dort grauenhafte Dinge geschehen. Nicht so schlimm wie in der Türkei, aber schlimm genug. Die aggressivsten Falken im westlichen Bündnis waren die Briten. Sie drängten auf den Krieg.
Im Januar 1999, zwei Monate vor der Bombardierung
Serbiens, schrieb die britische Regierung die meisten Greueltaten der Kosovo-Befreiungsarmee (KLA-UCK) zu und ging, wie auch die Dokumentation der NATO, davon aus, daß die KLA die Grenze überquerte, um Verbrechen gegen die Serben zu begehen und diese zu unverhältnismäßig scharfen Reaktionen zu provozieren, die sie nutzen wollten, um den Westen zu alarmieren.
In diese Zeit fällt das Massaker von Racak, das, so die spätere Doktrin, den Meinungswandel im Westen bewirkt haben soll.
Dennoch hielten die Briten und die Amerikaner nach wie vor die KLA für die eigentliche terroristische Kraft. Die Dokumente zeigen, daß sich in den nächsten beiden Monaten an der Situation im Kosovo und in Serbien nichts änderte, bis die Verifikationskommission sich aus dem Kosovo zurückzog, um die Bombardierung zu ermöglichen.
Erst nachdem die Bomben fielen, kam es zu den entsetzlichen
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