Power and Terror
Frankreich. Vielleicht wurde Nordkorea mit in den Topf geworfen, weil es ein leichtes Ziel ist. Wenn man da Bomben abwirft, stört das im Westen weiter keinen. Außerdem ist Nordkorea nicht muslimisch und lenkt von der Vorstellung ab, die Muslime seien der eigentliche Feind. Lassen wir Nordkorea also beiseite.
Was ist mit dem Iran? Werfen wir einen Blick auf die Geschichte. Während der letzten fünfzig Jahre galt der Iran bisweilen als »gut« und bisweilen als »böse«. Wenn man sich die Verlaufskurve ansieht, erhält man eine Antwort auf die Frage, ob es einen Angriff geben wird.
1953 war der Iran der Inbegriff des Bösen, weil eine vom Volk gewählte konservativ-nationalistische Regierung sich der landeseigenen Ressourcen bemächtigen wollte, die bis dahin unter britischer Kontrolle gewesen waren. Folglich mußte die Regierung durch einen von Großbritannien und den USA gesteuerten Putsch beseitigt und das Schah-Regime
wiedereingesetzt werden.
Die nächsten sechsundzwanzig Jahre war der Iran gut. Der Schah hatte mit Menschenrechten nichts im Sinn, aber er diente den Interessen der USA. Er eroberte saudi-arabische Inseln, beherrschte die Region und tat auch sonst alles, um den Vereinigten Staaten zu helfen. Er war gut, und folglich brachte die Presse auch keine Berichte über iranische Verbrechen.
Besonders Präsident Carter gehörte zu den Bewunderern des Schahs. Noch einige Monate vor dessen Vertreibung lobte Carter die »fortschrittliche Verwaltung« und anderes mehr.
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1979, nach dem Rückzug aus dem imperialen System, wurde der Iran dann wieder böse und ist es bis heute geblieben. Er hat eben nicht gehorcht. Die Situation ist sehr interessant, denn die wirklich mächtige amerikanische Öl-Lobby – die
Energiekonzerne – will den Iran in das Weltsystem
reintegrieren, aber das läßt die Regierung nicht zu. Der Iran muß Feind bleiben.
Zudem hat das Gerede von der »Achse des Bösen« die
Reformkräfte im Iran geschwächt, die die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben, während die reaktionären Kleriker gestärkt wurden. Aber all das wird von der Regierung für gut befunden, und wir müssen uns fragen, warum das so ist.
Ich habe den Verdacht – das ist lediglich Spekulation, weil wir über keine entsprechenden Dokumente verfügen –, daß der Grund der übliche ist: »Bewahrung von Glaubwürdigkeit«.
Wenn jemand aus der Reihe tanzt, muß er bestraft werden, damit andere begreifen, daß so ein Verhalten nicht geduldet wird. So lautete auch der offizielle Grund für die
Bombardierung Serbiens und des Kosovos: Es ging um die
»Glaubwürdigkeit der NATO«. Niemand tanzt aus der Reihe.
Man gehorcht, sonst setzt es was.
Meiner Meinung nach liegt darin das Hauptmotiv für die augenblickliche Politik der USA gegenüber dem Iran. Ich glaube nicht, daß die Vereinigten Staaten einen Angriff ernsthaft in Erwägung ziehen. Er wäre zu gefährlich und zu kostspielig. Und solange die reaktionären Kleriker im Iran die Oberhand behalten, wird das Land nicht in das internationale System zurückkehren.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es jedoch einen Angriff auf den Irak geben; eine Operation, die nicht ganz einfach zu planen ist. Mit absoluter Gewißheit aber läßt sich heute schon sagen, daß die offiziell vorgetragenen Begründungen nichts mit den tatsächlichen Gründen für einen solchen Angriff zu tun haben. Die gebildeten Schichten dienen der Regierung, indem 94
sie sich darüber ausschweigen, obwohl sie Bescheid wissen.
Ob Bush, Blair oder Clinton – alle sagen uns, Saddam sei ein Monster, der sogar chemische Waffen gegen das eigene Volk eingesetzt habe und deshalb verschwinden müsse.
Unterschlagen wird dabei, daß Großbritannien und die USA dem Monster bereitwillig dabei geholfen haben. Zu der Zeit – in den achtziger Jahren – war Hussein sehr viel gefährlicher als heute, woran niemand im Westen etwas auszusetzen hatte. Noch Anfang 1990 – einige Monate vor der Invasion in Kuweit –
schickte Präsident Bush sen. eine hochrangige, vom späteren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Bob Dole angeführte Delegation von Senatoren nach Bagdad, um dem Freund Saddam Hussein Grüße übermitteln zu lassen. Man dankte ihm für seine Leistungen und riet ihm, kritische Kommentare, die bisweilen in der amerikanischen Presse zu finden seien, unbeachtet zu lassen. Man versicherte ihm, daß ein kritischer Kommentator der Voice of America von seinem Posten entfernt würde, damit
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