Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
Wahrheit aus dem Kerl herauszuprügeln.
Draußen, auf dem Flur vor dem Büro, wurden Schritte laut. Die Tür zu Deweys Büro flog auf. Chuck Walters und ein weiterer Vorarbeiter, Victor Wrede. Letzterer hielt etwas in der Hand.
»Das haben wir in Pazurs Bett gefunden. Wir haben ihn in die Arrestzelle gesperrt.«
Wrede reichte Dewey den Gegenstand mit dem schwarz umwickelten Heft voran. Er starrte auf die Klinge und erkannte die Gravur sofort. GAUNTLET.
6
PENINSULA HOTEL
FIFTH AVENUE, ECKE 55TH STREET
NEW YORK CITY
»Hören Sie zu, Sie Mistkerl, ich sage es nur noch ein einziges Mal! Wir stehen nicht zum Verkauf! Nicht zu Ihrem Preis. Zu gar keinem Preis. So einfach ist das.«
Der Mann, der das sagte, Nicholas Anson, stieß seinen rechten Zeigefinger wie einen Dolch in die Luft, erreichte, um Dramatik bemüht, den höchsten Punkt synchron zu jeder Silbe. Anson war wütend, das merkte man seiner Stimme und seinem Blick an. Die Fältchen um seine Augen vertieften sich, während er seine Botschaft an den Mann brachte. Er wusste um die grundlegende Notwendigkeit, sich in seiner Position nicht die geringste Spur von Zweifel oder auch nur den geringsten Anflug von Unschlüssigkeit anmerken zu lassen. Anson Energy, der fünftgrößte Energiekonzern der Vereinigten Staaten, war, um es so deutlich wie nur möglich auszudrücken, kein Übernahmekandidat.
Es war 6:12 Uhr morgens. Anson stand auf dem geheizten Marmorfußboden vor dem großen Spiegel des absurd überdimensionierten Badezimmers seiner Suite im Peninsula Hotel in New York und führte Selbstgespräche. Er war gerade im Begriff, das blaue Hemd zuzuknöpfen, seine Krawatte zu binden und sich auf den, wie er wusste, entscheidenden Tag seiner langen, beschwerlichen, erstaunlichen Karriere vorzubereiten.
»Es ist mir egal, wie viel Sie bieten«, flüsterte er, indem er sich dicht an sein Spiegelbild heranbeugte. »Diese Firma ist nicht zu verkaufen.«
Nach einem hastigen Frühstück ließ Anson sich vom Chauffeur seiner Limousine in der Broad Street, im Herzen des Wall-Street-Distrikts, absetzen. Auf dem Weg zum Eingangsbereich versuchte er vergeblich, sich daran zu erinnern, wie viele Male er in seiner langen Berufslaufbahn die Korridore der Wall Street durchschritten hatte. Die Wall Street ließ sich aus seinem Alltag als Vorstandsvorsitzender eines börsennotierten Unternehmens nicht verdrängen. Sie war meistgehasster Feind und bester Freund, Verbündeter und Widersacher in einem. Sie hatte den Aufstieg von Anson Energy finanziert und würde auch wie ein Geier zur Stelle sein, wenn sein Unternehmen – Gott bewahre ihn davor! – ins Straucheln geriet. Jederzeit bereit, die Überreste seines Lebenswerks gnadenlos zu zerpflücken.
Der Vordereingang des Goldman-Sachs-Komplexes wirkte unscheinbar, elegant, leer. So nüchtern und schmucklos, dass man es nur der renommiertesten Finanzinstitution der Welt durchgehen lassen konnte. Gerade das machte die Sache so großkotzig. Dieser einfache, schlichte Raum schien zu verkünden: »Scheiß auf dich, Kumpel! Wir sind so mächtig, dass wir es nicht nötig haben, dich oder sonst jemanden zu beeindrucken.«
Anson nahm den Aufzug ins 45. Stockwerk, zum Büro von Patrick Perry, einem der Direktoren von Goldman und führendem Investmentbanker beim Börsengang von Anson Energy.
Anson kannte Perry schon seit über 20 Jahren. Perry hatte die erste Kapitalrunde von Anson Energy betreut, eine Tranche hochverzinslicher Anleihen, die sich auf ein Gesamtvolumen von 45 Millionen Dollar belief; heutzutage ein lächerlicher Geldbetrag, damals jedoch eine kreative und richtungsweisende Finanzierungslösung, die es der kleinen Erdölgesellschaft ermöglichte, ihre ersten sechs Ölfelder zu pachten. Allesamt in der Nähe von Pecos gelegen, im permischen Becken des westlichen Texas. Allesamt Nieten – staubtrocken und mit weniger Öl, als der Swimmingpool eines durchschnittlichen Bürgers an Wasser vorzuweisen hatte. Mit einer Ausnahme: ein altes, felsiges Stück Land, das sie Saranox 66 nannten. Der Besitzer hatte es quasi als Bonus zu den anderen fünf Grundstücken dazugegeben, weil er dachte, da wäre nichts zu holen. Ein Stück Land, das sich nicht einmal ein Jahr später als großer Wurf erwies und Anson Energy schlagartig zu einer großen Nummer machte.
Perry und Anson schätzten einander. Anson hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, auf Perrys kluge Ratschläge zu hören, und Perry wiederum war bei Goldman aufgestiegen, weil
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