Power Down - Zielscheibe USA (German Edition)
der Tiefgarage winkte er einem Wagen der Fahrbereitschaft und nannte dem Fahrer Jessicas Adresse.
»Schalten Sie das Blaulicht ein. Und fahren Sie, als sei der Teufel hinter Ihnen her!«
Der Wagen preschte mit quietschenden Reifen los, rumste auf die Pennsylvania Avenue und bog nach rechts ab.
Calibrisi versuchte noch einmal, Jessica zu erreichen. Aber auf beiden Nummern nach wie vor Fehlanzeige.
»Fuck!«, brüllte er.
Denk nach, Hector. Denk nach!
Er starrte auf sein Handydisplay. Buck hatte ihm einmal das Leben gerettet. Bei dem Gedanken schüttelte er den Kopf. Sie hatten ihn mit Buck und noch zwei weiteren Agenten nach London geschickt, um jemanden auszuschalten. Die Zielperson war ein Deutscher, ein Mann namens Stauffer, leitender Angestellter bei einem großen deutschen Elektronikunternehmen. Stauffer hatte Teile von Nuklearwaffen – insbesondere Bauelemente für die Zündvorrichtung – nach Pakistan verkauft. Die Firma wollte Stauffer einfach beseitigen lassen, statt Aufhebens um die Angelegenheit zu machen. Calibrisi kannte die Gründe dafür nicht, aber er hakte auch nicht nach. Sein Job bestand nicht darin, Fragen zu stellen. Sein Job bestand darin, Stauffer umzulegen.
Es passierte gegen Mitternacht. Eine Wohnung in Mayfair in den oberen Etagen. Sie trafen zwei Tage vor Stauffer in London ein. Das Team wohnte ein Stockwerk über dem Deutschen, im Apartment direkt über ihm. Es gehörte einem saudischen Prinzen, der sich auf Reisen befand und nicht die geringste Ahnung von ihrer Anwesenheit hatte und auch im Nachhinein nie davon erfuhr. Das war auf Bucks Mist gewachsen. Er nannte es »kurzfristiges Einmieten«. Streng genommen ein Verstoß gegen die Einsatzvorschriften der Firma, dafür lief es völlig problemlos und man hinterließ keine Spuren. Buck schätzte das sehr.
Zur festgelegten Zeit hatte sich Calibrisi über die Feuerleiter in Stauffers Etage hinuntergeschlichen, drang in die Wohnung ein, indem er das Schloss knackte. Calibrisis vierter Mordauftrag. Er trug Lederhandschuhe. Unter der Ski-Maske rann ihm der Schweiß über die Stirn. Die Smith & Wesson .357 Magnum mit aufgeschraubtem Schalldämpfer vor sich schritt er durch Stauffers dunkles Apartment. Schließlich gelangte er an die Schlafzimmertür.
In genau diesem Moment beobachtete das Team ein Stockwerk über ihm Stauffer durch das stecknadelkopfgroße Nachtsichtgerät, das sie durch die Decke des Schlafzimmers gebohrt hatten. Er lauerte mit gezückter Waffe neben dem Bett, bereit, Calibrisi zu töten, sobald dieser das Zimmer betrat.
Als Calibrisi die behandschuhte Hand nach dem Messing-Türknauf ausstreckte, spürte er das leise Vibrieren in seiner Tasche. Damals hatte es noch keine Ohrstöpsel gegeben, um über Funk zu kommunizieren. Wie angewurzelt blieb er im Dunkeln stehen, schielte nach unten und las die beiden Wörter, mit denen Buck ihm signalisierte, den Einsatz abzubrechen.
Das Apartment, das Mini-Nachtsichtgerät, die ganze Planung, einfach alles trug damals Bucks Handschrift. Er hatte die Idee dazu gehabt. Selbst die beiden Wörter. Die beiden Wörter, die als Bucks Markenzeichen galten. Jeder Agent, der jemals mit ihm zusammengearbeitet hatte, kannte ihre Bedeutung. Die beiden Wörter, die einem jungen Agenten vor über einem Vierteljahrhundert das Leben gerettet hatten.
Calibrisi griff nach seinem Handy.
In aller Seelenruhe schob Buck Jessicas Schlafzimmertür auf. Das Rauschen der Dusche, das Geräusch des herabprasselnden Wassers übertönte alles, was im Schlafzimmer vor sich ging. Flüchtig streifte sein Blick die Kleidungsstücke, die auf dem Boden und auf dem Bett verstreut lagen. Langsam schlich er zum Bad. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug, ruhig zwar, aber trotzdem mit höherem Tempo als sonst. Sein Mund stand offen, seine Nasenflügel bebten. Den Blick auf die weiße, nun einen Spaltbreit offene Badezimmertür gerichtet, überquerte er den weichen, bildhübschen Teppich. Der Dampf aus der Dusche vernebelte die Ecken des Schlafzimmers.
Das Rauschen der Dusche. So sanft.
Er erreichte die Tür, blieb stehen, hielt inne und hob die linke Hand. Er drückte sie gegen den Holzrahmen. Dort, wo seine Lederhandschuhe es berührten, hinterließen sie Punkte auf der Schicht aus Wasserdampf. Abdrücke, die sich später unmöglich abnehmen ließen, die keine chemischen Spuren zurückließen. Bei der Herstellung der Handschuhe hatte man besonderen Wert darauf gelegt, genau das sicherzustellen. Er machte
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