PR 2623 – Die zweite Anomalie
tief ein.
»Allerdings muss ich einschränkend sagen«, fuhr der Androide fort, »dass wir nur die trivialen Erscheinungen erlebt haben. Wir sind keineswegs Zeuge eines Urknalls geworden oder der echten Schöpfung eines Universums. Wir haben nur die Auflösung der Bausteine erlebt, aus denen es eher willkürlich zusammengesetzt war. So gesehen würde ich von einem primitiven, stark beschränkten Probelauf sprechen. Kein Wunder, dass die Anomalie sich nicht halten konnte. Sie war völlig unzulänglich. Ein unbeholfener Versuch, der zum Scheitern verurteilt war. So sehe ich es zumindest.«
Der Terraner atmete tief durch und setzte sich auf das Bett. Es würde eine Weile dauern, bis er verarbeitet hatte, was er soeben gehört hatte.
»Wie gesagt, das alles ist nur eine Theorie«, schränkte der Zwergandroide ein, doch Saedelaere schenkte seinen Worten kaum Beachtung. »Vielleicht liege ich völlig daneben.«
»Aber sie hätte den Vorteil, erklären zu können, was wir gesehen und erlebt haben.«
Blitzer nickte knapp.
»Hast du weitere ... Erkenntnisse gewonnen oder Theorien entwickelt, die ich kennen sollte?«
»Nein.«
»Ich muss darüber nachdenken«, sagte Saedelaere. »Und ich bin müde. Du weißt ja, ich bin noch nicht völlig wiederhergestellt.«
»Ich verstehe, Alraska. Du möchtest, dass ich gehe. Du kannst es auch geradeheraus sagen, das ist kein Problem.«
»Ja«, sagte Saedelaere leise. »Ich brauche jetzt tatsächlich etwas Ruhe.«
7.
Alaska Saedelaere wälzte sich so heftig auf dem Bett, dass das Firibirim vorwurfsvoll zirpte und etwas Abstand suchte.
Ja, er war noch immer nicht ganz er selbst, konnte aber immer klarer denken. Andernfalls hätte er Eroin Blitzers Argumente keine zehn Sekunden lang folgen können. Was auch immer das »Wunder von Pean« gewesen sein mochte, es hatte gewirkt. Er wurde immer mehr zu sich selbst, auch wenn noch wichtige Teile seiner Erinnerung fehlten.
Was hätte er dafür gegeben, sie zurückzubekommen! Falls Blitzers Vermutungen zutrafen, so phantastisch sie sich auch anhörten, brauchte er all seine Erfahrungen, all sein Wissen, um sie richtig einschätzen zu können.
Was war geschehen, bevor er auf Crepoin wieder zu sich gekommen war? Was war nach seinem Aufbruch von Terra geschehen? Er wusste es nicht, konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann er die Erde verlassen hatte.
Was hatten die Peaner noch gleich zu ihm gesagt? Denk an das, was dir am wichtigsten ist, sobald du dazu bereit bist.
War er nun bereit? Er konnte es nicht sagen. Und sooft er in letzter Zeit darüber nachgedacht hatte, er wusste nicht, was am wichtigsten für ihn war.
Erschöpft von den sich immer im Kreis drehenden Gedanken legte er sich auf den Bauch. Er machte so etwas nicht zum ersten Mal durch. Schon oft hatte er vor dem Einschlafen Probleme gewälzt und dabei etwas festgestellt: Je länger er sich damit beschäftigte, desto größer wurden sie, bis sie schließlich so übermächtig waren, dass es völlig aussichtslos schien, sie jemals bewältigen zu können. Was dir am wichtigsten ist ...
Aber ... dieses Problem war gar keins. Er hatte sich die Antwort bislang nicht eingestanden, weil sie ihn auf gewisse Art und Weise .... beschämte. Weil sie seine Existenz auf einen Namen reduzierte.
Nein, nicht auf einen Namen, sondern auf ein Ideal, eine Bestimmung. Er hatte viel gesehen und erlebt in seinem langen Leben. Er hatte auch viele Ziele gehabt und diese Ziele stets über alles andere gestellt. Er hatte sich ihnen unterworfen, alles für sie geopfert. Sie waren immer am wichtigsten für ihn gewesen.
Und sein gegenwärtiges Ziel war ohne jeden Zweifel, Samburi Yura zu finden.
Nur ihretwegen war er ins Reich der Harmonie aufgebrochen.
Als wäre mit diesem Eingeständnis ein Damm gebrochen, strömten Gefühle und Erinnerungen in seinen Geist und füllten ihn aus. Plötzlich empfand er Befriedigung, Ruhe und Erleichterung.
Mit der Ruhe kam der Schlaf.
Und mit dem Schlaf der Traum.
*
Samburi Yura lächelte und strich mit den Fingerspitzen über seine Brust.
Wie sehr hatte er sich nach ihr gesehnt ... Er liebte sie, aber in einem reinen, hehren Sinn, mit einer unstillbaren Sehnsucht. Denn sie war für ihn in all ihrer Unergründlichkeit die Verkörperung der Rätsel des Kosmos, nicht mehr und nicht weniger.
Ich bin hier, flüsterte sie. Aber wenn du aufwachst, muss ich wieder gehen!
»Nein, bitte nicht! Bleib!«, flüsterte er, öffnete die Augen und betrachtete
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