PR 2630 – Im Zeichen der Aggression
Aggression mit einem Beispiel näherbringen? Haseta?«
Tokun schwenkte den Kopf. Den Namen Haseta hatte er sich bereits am Tag der Ankunft gemerkt. Die Dosanthi war nicht viel älter als Tokun und ausgesprochen attraktiv. Die Knorpelstruktur auf ihrem Schädel stand keck in die Höhe. Die braunen Augen waren mit Tausenden goldenen Pünktchen gesprenkelt. Er hatte sie mehrmals angesprochen und war jeweils ziemlich barsch abgewiesen worden.
Die Dosanthi räusperte sich. »Volils Beispiel mit Vetela ist ein schlechtes Beispiel«, sagte sie gereizt. »Denn die Aggression der meisten Xylthen ist nicht von außen induziert, sondern stammt aus ihnen selbst. Es ist keine Reaktion auf physisches oder psychisches Leid, sondern eine rationale Aktion, eine Methode, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Erinnert ihr euch an den Unfall, den der alte Reparat Guronzen beim Einsatz im Apetolon-System erlitten hat? Jeder weiß, dass Vetela ihn kaltblütig erschossen hat, um selbst Reparat zu werden.«
»Und jeder weiß, dass wir über diesen Vorfall nicht sprechen!« Skopen zischte. Die faltige Haut um seine Augen verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Dennoch ist es ein treffendes Beispiel für die instrumentelle Aggression.«
Tokun legte den Kopf schief. »Ich verstehe den Unterschied zwischen Aggression, die von außen, und Aggression, die von innen kommt. Aber du hast von drei verschiedenen Arten der Aggression gesprochen, Meister.«
»Kannst du dir das nicht denken, junger Agal-Atimpal? Dir sollte diese dritte Art sehr vertraut sein.« Skyl Skopens Augen glitzerten.
Tokun atmete das beruhigende Geruchsbukett der Dosedo-Pflanze und der Bodenmoose ein. Mit einem Mal erschien ihm die Antwort ganz einfach.
»Die dritte Form der Aggression ist das Calanda«, sagte er ruhig.
*
»Los, los, los!«
Die schweren Kampfroboter der Badakk – graue, fassförmige Gebilde, die ihren Erbauern nicht unähnlich waren, wenn man von den halbkugeligen Köpfen einmal absah – schwebten an ihnen vorbei. Die Waffengürtel mit den Todeskristallen leuchteten und glitzerten intensiv.
Vor ihnen explodierten die eilig aufgebauten Schutzeinrichtungen ihrer Feinde. Gebäude aus organischen Stoffen gingen in Flammen auf, als hätten unsichtbare Hände sie angezündet. Die Kugelspitze eines halb transparenten Turms zersprang mit einem donnernden Knall, der von den Hängen des Salztals mehrfach zurückgeworfen wurde.
Picaru Volil schritt davon unbeeindruckt an der Spitze ihrer Siebenergruppe. Er hatte beide Arme erhoben und gab die zuvor eingeübten Zeichen.
Tokun Gavang kniff die malträtierten Augen zusammen. Einen ganzen Tag lang hatte sich seine Gruppe an den Wänden ihrer Wohnkaverne in der NYCORMO aufgeladen – eigentlich viel zu lange. Der junge Agal-Atimpal hatte das Gefühl, dass sein Brustkorb früher oder später aufplatzen müsse vor lauter Calanda, das sich seinen Weg in Form von Angst-Dunst nach draußen bahnen wollte.
Die überwältigende Aggression umgab Tokun wie eine schützende Hülle. Alles, was ihn normalerweise beunruhigen oder zutiefst verängstigen würde – grelles Licht, weite Ebenen, unendlicher Himmel, Explosionen, Gefahr –, prallte wirkungslos an Tokuns Schutzhülle ab.
Skopen hatte ihnen erklärt, dass sie die Stresssituation auf dem Planeten Suanohon'ir nur überstehen würden, wenn sie sich mit Calanda förmlich vollpumpten. Der Calanshan-Meister hatte recht behalten.
Tokun stieß einen Schrei aus. Er fühlte sich gut.
Im Laufschritt überquerten sie das letzte Stück des Raumhafens. Links und rechts neben ihnen rannten die beiden Xylthen, die ihre Gruppe verstärkten und in erster Linie als Nahkämpfer fungieren würden. Tokun kannte ihre Namen nicht.
Überall lagen tote Anohs. Die tierähnlichen Wesen mit dem schwarzen Fell und den vier Sprungbeinen wiesen laut Reparat Vetela eine außergewöhnlich hohe Intelligenz auf. Das hatte sie aber nicht davon abgehalten, gegen QIN SHI zu intrigieren.
Nun war die 11. Schutztruppe der Heimatstreitkräfte eingetroffen, um den Machenschaften des Zentralrats der Anohs einen fetten Stein vor den Höhleneingang zu rollen.
Tokun sprang über zwei halb verkohlte Leichen. Es roch ekelerregend nach verbranntem Fleisch, Fell und Kunststoffen. Die Anohs, die nach der ersten Ogokoamo-Ausschüttungswelle nicht schnell genug geflüchtet waren, hatten mit den Thermostrahlen der Kampfroboter Bekanntschaft geschlossen.
Picaru rief etwas und richtete den rechten Arm
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