PR 2634 – Terras neue Herren
Die Angreifer verwirren, ihnen ein Double opfern und noch eins und wieder ... Das hätte etwas gehabt, mit dem ich mich anfreunden konnte. Aber mich nach einem Gleiterunfall tot aus dem Wrack zu ziehen, das empfand ich als banal. Der ganze Aufwand nur für eine Leiche?
Ich schaute Surtland an. Wann?, fragte ich lautlos.
Es war kurz nach 21 Uhr Ortszeit. Der Kapitän hob nichtssagend die Schultern.
Wer hatte schon die Möglichkeit, seiner eigenen Beerdigung beizuwohnen? Vielleicht sollte ich eine Maske anlegen und zusehen. Schon um herauszufinden, wer meinetwegen Tränen vergoss. Gucky? Ausgerechnet in solchen Stunden war der Kleine nicht greifbar. Sein Gesicht hätte mich interessiert.
Ich erschrak über mich selbst. War ich tatsächlich im Begriff, mich mit dem Gedanken an mein Ableben anzufreunden?
*
Das Beben kam urplötzlich. Sogar an Bord des Frachters war es deutlich spürbar. 21.17 Uhr Tiempo del Centro Zona Mexico; ein heftiger gravomechanischer Stoßimpuls erschütterte den Großraum von Mexico City und darüber hinaus.
Trotz der aktiven Prallfelder wurde die LADY LAVERNA durchgeschüttelt. Die Antigravpolster aktivierten sich zu spät, da war die Bebenfront schon vorbei.
Auf einem der Holoschirme sah ich meinen Gleiter den Hangar verlassen. Die Maschine beschleunigte mit hohem Wert und verschwand innerhalb von Sekunden.
Der Frachter startete, gewann schnell an Höhe.
Die Außenbeobachtung zeigte, wie schwer das Beben die Stadt erschüttert hatte. Einstürzende Gebäude überall. Quer durch die Stadt verlief plötzlich eine monströse Erdspalte, der Untergrund hatte sich um mehrere Meter verschoben.
Das war ein Megabeben, nicht nur eine leichte Erschütterung. Trotz der angelaufenen Evakuierung musste es Zehntausende Tote und Verletzte gefordert haben. Und wahrscheinlich reichte diese Zahl bei Weitem nicht, um das Leiden der Menschen da draußen auch nur annähernd zu beschreiben. In der Hinsicht machte ich mir keine Illusionen.
Die Hände um meinen Hals gelegt, blickte ich auf die Holos und biss mir die Unterlippe blutig. Ich empfand Trauer. Zorn. Und ich fühlte mich hilflos. Die Angreifer hatten gar nicht versucht, Leben zu schonen.
3.
Solare Residenz
6. Oktober, 11.26 Uhr Terrania
Es war endgültig, der letzte Zweifel ausgelöscht.
Reginald Bull, der Terranische Resident, war während des Megabebens in der Zona Mexico ums Leben gekommen. Er, scheinbar unverwüstlich, Aktivatorträger und damit potenziell unsterblich, war in seinem Gleiter von den Trümmern eines einstürzenden Gebäudes erschlagen worden.
So banal ...
Vor allem so widersinnig und sinnlos.
Henrike Ybarri, die Erste Terranerin, fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Tief atmete sie ein, wischte mit den Fingerspitzen die Nässe aus ihren Augenwinkeln.
Leb wohl, Reginald, murmelte sie lautlos.
Sie stand vor dem Panoramafenster ihres Büros und blickte über Terrania hinweg. Aber sie nahm nichts von dem wahr, was sie sah. In dem Moment hätte sie nicht zu sagen vermocht, ob der fahle Mittagshimmel über der Metropole wolkenverhangen war oder sie die Kunstsonnen sehen konnte, die Terra mit ihrem Licht und ihrer Wärme am Leben erhielten.
Sie sah nur Reginald Bulls übel zugerichteten Leichnam. Das Bild, das ihr übermittelt worden war, hatte sich in ihr Bewusstsein eingebrannt, sie konnte es nicht vertreiben.
Ybarris Hoffnung, die von den Nachrichtensendern erwähnten Zeugen hätten sich geirrt und lediglich eine vage Leuchterscheinung als Symbol der verwehenden Spiralgalaxis fehlinterpretiert, hatte sich nicht erfüllt.
Seit wenigen Minuten war die schreckliche Nachricht unumstößlich.
»Warum?«, fragte die Erste Terranerin leise. »Ausgerechnet Bully ...«
Er war einer der Männer der ersten Stunde gewesen. Ein Hoffnungsträger, gerade in diesen Wochen wieder. Zusammen mit Rhodan hatte Reginald Bull die Menschen zu den Sternen geführt.
Und nun?
Henrike Ybarri fröstelte, als sie in die Tiefe blickte. Ein Abgrund schien sich vor ihr aufzutun, sie hatte das lange nicht mehr so intensiv wahrgenommen.
Reginald Bull ist tot. Sie musste das Kabinett informieren. Die Nachrichten von SIN-TC, Augenklar und wie die Sender alle hießen, verbreiteten ohnehin seit Stundenfrist die erschreckende Information aus dem Großraum Mexico City.
Ybarri drückte ihre Stirn gegen die Verglasung.
Aus einem kurzen Moment wurde eine halbe Minute, eine ganze. Die Erste Terranerin atmete wieder ruhiger und
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