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PR 2646 – Die Tage des Schattens

Titel: PR 2646 – Die Tage des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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dorthin zu bringen, wo es ursprünglich hergestellt worden und im Überfluss vorhanden war.
    Riordan trainierte die Drehpalmage, obwohl er sie perfekt beherrschte. Er hielt die Drachme mit den Spitzen des Zeigefingers und des kleinen Fingers, hinter Ring- und Mittelfinger, sodass er die leere Handfläche herzeigen konnte.
    Dann drehte er die Hand im Gelenk. Zugleich rotierte die Münze um die Kuppen der mittleren Finger, und nun war sie auch auf dem Handrücken nicht zu sehen.
    Auf diese Weise verbargen Zauberkünstler seit über fünftausend Jahren Münzen oder ähnliche Gegenstände bis hin zu Spielkarten vor ihren Zuschauern.
    Wenn Fydor seine Fingerfertigkeit übte, konnte er sehr gut nachdenken. Er verfiel dabei in eine Art meditativer Trance, und ihm strömten oft hilfreiche Assoziationen zu.
    So auch diesmal. Marrghiz hatte ihn beauftragt, dem zunehmend lästigeren Schatten eine Falle zu stellen. Dem Schatten, der scheinbar wie von Zauberhand auftauchte und verschwand, ganz wie die uralte Drachme zwischen Fydors Fingern.
    Alle Tricks, auch die verblüffendsten, unglaublichsten, monumentalsten Illusionen, basierten auf einer Aneinanderreihung simpler, schlichter, geradezu billiger Elemente. In deren Kombination bestand die Genialität. Erst die Summe der Einzelteile ergab die bestürzende Wirkung auf das laienhafte Publikum.
    Dieser Schatten, ahnte Fydor Riordan, war ihm verwandt, war ein Trickser wie er selbst. Deswegen würde er ihn zur Strecke bringen: Man sagte nicht umsonst, dass es eines Zauberers bedurfte, um einen Zauberer zu fangen.
     
    *
     
    Nur einen kurzen Gleiterflug entfernt, im Café Triest, hielt ein merkwürdiger Mann namens Toufec wieder einmal Hof.
    Kornel Krisch, der Oberkellner, erwog bereits ernstlich, ihm den geheiligten Status eines Stammgasts zu verleihen. Er kam zwar erst seit einigen Tagen – und nicht einmal an jedem davon –, aber um Quantität ging es nicht, sondern um Kontinuität.
    Ein Stammgast, so stand es in der ungeschriebenen Bibel des klassischen Kaffeehauses, setzte sich immer an denselben Tisch und bestellte so lange immer das Gleiche, bis keine Bestellung mehr nötig war. Weil der Kellner ihm, sobald er eingetreten war, ungefragt das Gewünschte servierte.
    In Toufecs Fall: ein Krug Leitungswasser, sieben verschiedene Eier mit sieben verschiedenen Brotsorten.
    Darüber hinaus benahm sich ein wahrer Stammgast auf verlässliche Weise stereotyp. Es mussten nicht unbedingt stets dieselben, in engen Bahnen verlaufenden Wortwechsel sein, wie beim liebenswürdig wunderlichen Raumflotten-Oberst im Ruhestand. Es genügte, wenn Kornel sowie die sonstigen Dauergäste des Triest hundertprozentig sicher wussten, dass keine Änderung der Routine drohte.
    Dieses Kriterium erfüllte der Struwwelbärtige ebenfalls. Dass er keinen sonderlich gepflegten Eindruck machte – geschenkt. Auch der alte Oberst roch manchmal etwas streng.
     
    *
     
    Wenn Toufec das Café Triest mit seinem Besuch beehrte, nahm er Platz und wartete, bis Kornel ihm sein Spezialmenü aufgetischt hatte. Während er dann, durchaus nicht ohne Begleitgeräusche, Eier und Brote verschlang, gesellten sich andere Gäste zu ihm.
    So entstand ein Cercle, eine Diskussionsrunde, die bald darauf munter politisierte. Kornel Krisch, der wie alle guten Kellner lange Ohren hatte, bekam mit, dass es auch diesmal wieder primär darum ging, welche Rolle dem ominösen Schatten in der aktuellen, insgesamt recht undurchsichtigen Gemengelage zufiel.
    »Mit der Smiley-Aktion hat er mich endgültig überzeugt«, sagte der Siganese, von dem Kornel mittlerweile wusste, dass er im Stadtteil Kanchenjunga eine Tierarzt-Praxis betrieb. »Die war allererste Sahne. Übrigens, könnt ihr euch erinnern? Erst gestern, oder war's vorgestern, haben wir hier, just an diesem Tisch, über terranische Populär-Ikonografie parliert!«
    »Es gibt keine Zufälle«, sagte Milonke, die etwas altkluge Gefirnin aus dem Wirtschaftsministerium. »Die jeweils brisantesten Ideen jeder Krisenzeit schwirren im Äther und warten nur darauf, dass sensible Gemüter sie aufpicken und verwirklichen.«
    »Äther? Ich bitte dich«, polterte die Epsalerin, über deren Vergangenheit Kornel recht widersprüchliche Gerüchte gehört hatte. »Das Konzept eines temporär variablen, ergo quasi-magischen Hyperraums ist ja spätestens seit Partijan wirklich so was von überholt ...«
    »Das beste Wissen ist jenes, welches du kennst, wenn du es brauchst«, sagte Toufec rau. »Wir

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