PR 2646 – Die Tage des Schattens
sollte. Was zwar ein Hohn ist angesichts der zu erwartenden, enormen Medienpräsenz – aber diesen Eindruck wollen wir verkaufen.«
Phaemonoe verspürte, während sie sich so reden hörte, einerseits Abscheu, andererseits jenes gewisse Kribbeln, das sie an ihrem Beruf liebte. Selbstverständlich fühlte sie sich der Wahrheit verpflichtet. Zum Journalistenethos gehörte jedoch auch, diese Wahrheit zur bestmöglichen Story zu verdichten mit möglichst eindrucksvollen Bildern ...
»Kein pathetisches Tamtam«, argumentierte sie weiter. »Damit schnittest du dir bloß ins eigene Fleisch. Jede sich in den Vordergrund drängende Autorität würde zwangsläufig infrage gestellt werden.«
»Der berüchtigte terranische Widerspruchsgeist?«
»Genau. Deshalb kein offensichtlich von vorn bis hinten durchkomponiertes Spektakel, sondern viele einzelne, berührende Momente. Reduktion aufs Wesentliche. Und das Wesentliche«, Phaemonoe klopfte mit den Knöcheln auf den Tisch, »ist die Wiedervereinigung der Heimkehrer mit ihren Liebsten.«
»Dieser Punkt hat mich ebenfalls irritiert. Sämtliche Eltern, Geschwister, sonstige Verwandte und Freunde sollen teilnehmen dürfen?«
»Aber natürlich. Darum geht's! Um das Glück in den Gesichtern, um die Freudentränen, weil die Sorgen unberechtigt waren. Weil die Vermissten unversehrt sind. – Sie sind doch unversehrt?«
Täuschte sie sich, oder zögerte der Sayporaner mit seiner Antwort? Jedenfalls räusperte er sich, bevor er bejahte.
»Wie werden sie auftreten?«, bohrte Phaemonoe nach. »Ich meine, werden sie sich menschlich verhalten, oder sind sie auf irgendeine Weise sichtbar verändert?«
»Nein. Nicht äußerlich.«
Phaemonoe wurde plötzlich kalt, als streife sie ein eisiger Luftzug, weil irgendwo jemand ein Fenster zum Nordpol geöffnet hatte.
*
Nachdem sie einige weitere Einzelheiten erörtert hatten, sagte Marrghiz: »In deinem Konzept findet sich, abgesehen davon, dass du keine Zurschaustellung stärkerer Waffensysteme anrätst, nichts über die unweigerlich nötigen Sicherheitsvorkehrungen.«
»Nicht meine Baustelle.«
Der Sayporaner blinzelte; vielleicht hatte Phaemonoe ihn mit dieser brüsken Erwiderung ja doch einmal auf dem falschen Fuß erwischt. »Was, wenn irgendwelche Widerständler die Gelegenheit für günstig erachten, ein Attentat zu verüben?«
»Dafür hast du den von Fydor Riordan auf Linie gebrachten TLD. Und nicht zuletzt deine Fußtruppen, um nicht zu sagen: Fünf-Fuß-Truppen.«
»Die Fagesy?« Klapp, klapp, machten seine Augenlider.
»Da hätten sie doch endlich einmal eine sinnvolle Aufgabe. Nämlich, Terraner zu beschützen, anstatt sie durch Razzien zu malträtieren.«
»Ich erkenne deinen Zynismus, Frau Regierungssprecherin. Gleichwohl werde ich die Anregung bedenken. Damit sind wir beim zweiten wichtigen Thema.«
Phaemonoe lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Lass mich raten. Der Schatten?«
»Ja. Der Schatten.«
*
Marrghiz errichtete einen Holokubus und rief eine Aufzeichnung ab. Der eingeblendeten Zeitleiste zufolge war sie keine zwanzig Minuten alt.
»Unser mysteriöser Widersacher hat seine Operationsweise verändert«, sagte er dabei. »Er attackiert nicht länger scheinbar wahllos Patrouillen der Fagesy, sondern legt es offenbar darauf an, uns lächerlich zu machen.«
Das Holo zeigte den Raumhafen, auf dem die Sternengaleonen der Sayporaner ruhten. Es waren dickbauchige, weder sonderlich große noch sonderlich hübsch gestaltete Schiffe. Manche Beobachter fühlten sich an die Köpfe überdimensionierter Schmeißfliegen erinnert.
Exotisch, beinahe unheimlich wirkten hingegen ihre Galionsfiguren. Sie glichen schlafenden, vierarmigen Riesen, deren Oberkörper mit dem Schiffsrumpf verwachsen schienen.
Unvermittelt tauchte am rechten unteren Bildrand eine schattenhafte, vage humanoide Gestalt auf. »Aus dem Nichts«, murmelte Phaemonoe. »Ist er Teleporter?«
»Unsere Experten tendieren eher zur Ansicht, dass er ein Tarnsystem benutzt, das ihn wahlweise unsichtbar macht oder als unterschiedlich kompakten Schatten erscheinen lässt. Möglicherweise verfügt es noch über andere Täuschungsprogramme, jedenfalls über hochwertigen Ortungsschutz.«
»Eure Schiffe ...?«
»Können ihn ebenfalls nur normaloptisch wahrnehmen.«
»Und nur, wenn er will ... Er möchte also gesehen werden, zieht gezielt Aufmerksamkeit auf sich.«
»Ja.«
Der Schatten verharrte einige Sekunden auf der
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