PR 2646 – Die Tage des Schattens
Stelle, dann begann er, langsam das vorderste Schiff zu umkreisen. Dabei schwebte er in einer wellenartigen Bewegung auf und ab, tänzerisch, spielerisch.
»Reichlich provokativ«, sagte Phaemonoe. »Ist er so sicher, dass die Schiffsgeschütze ihm nichts anhaben können?«
»Die leichten Kaliber sind den Waffen der Fagesy-Soldaten vergleichbar. Dagegen hat er sich mehr oder minder immun erwiesen. Die starken Geschütze können am Boden nicht eingesetzt werden, ohne schwere Verwüstungen an Gebäuden oder anderen Schiffen anzurichten. Deshalb bleibt er im unteren Bereich.«
Etwa eineinhalb Minuten lang gab es keine Reaktion seitens der drei Ovoidraumer. Aufreizend langsam und lässig kurvte der Schatten zwischen ihnen herum.
Phaemonoe grübelte, woran sein Verhalten sie erinnerte. Dann fiel es ihr ein: Wenn in einer öffentlichen Parkanlage Hobbysportler Gravo-Hockey spielten, fuhren Neuankömmlinge in ähnlicher Weise am Rand des Feldes auf und ab, bis sie zur Mitwirkung eingeladen wurden.
»Er fordert die Fagesy heraus, mit ihm zu spielen ... Halten sie das aus, dass er ihnen so vor der Nase herumtanzt?«
Wie zur Antwort schleusten in diesem Moment mehrere Trupps der Schlangensternwesen mit Rüstgeleiten aus. Sie versuchten, den Schatten einzukreisen, was jedoch misslang, da er ruckartig mit hohen Werten beschleunigte.
Eine Verfolgungsjagd entspann sich rings um die Schiffe – oder eher ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die zahlreichen Katzen immer wieder den Kürzeren zogen. Die unbekannten Flugaggregate des Schattens waren den Rüstgeleiten haushoch überlegen, sowohl an Geschwindigkeit als auch an Wendigkeit. Falls Schusswaffen eingesetzt wurden – wofür es keine optischen Anzeichen gab –, erzielten sie keinerlei sichtbare Wirkung.
»Na gut, er stellt unter Beweis, dass er ihnen beliebig oft entfleuchen kann«, sagte Phaemonoe. »Aber das kommt eher ein wenig angeberisch rüber. Er selbst attackiert offenbar nicht. Worauf will er hinaus, was verspricht er sich von der Aktion?«
»Warte. Der Clou folgt gleich.«
Mehrere Pulks Fagesy schlossen so dicht zu der Schattengestalt auf, dass es fast zu einer Kollision kam. Danach zog der Gejagte einen bläulich flirrenden Schleier hinter sich her, wie eine Rauchfahne oder einen wässrig zarten Pinselstrich.
»Hat er zu viel riskiert und nun doch Schaden erlitten?«
Marrghiz schüttelte nur den Kopf und deutete auf das Holobild.
Der Schatten düpierte die Verfolger ein ums andere Mal. Im Rahmen seiner Manöver driftete der Rauchschleier immer näher zur Galeone hin – die schließlich einen energetischen Schutzschirm errichtete.
»Nanoagenten? Hat er versucht, euch mit euren eigenen Waffen ...« Phaemonoe stockte, dann prustete sie los. Obwohl sie beide Hände auf den Mund presste, schaffte sie es nicht, das Lachen zu unterdrücken.
Auf dem halbkugelförmigen Energieschirm ergaben die blausilbernen Pinselstriche einen perfekten Kreis; und in diesem einen etwas kleineren Halbkreis, darüber zwei dicke runde Punkte.
»Bitte entschuldige. Ich fasse es nicht«, krächzte Phaemonoe Eghoo. »Er hat euch einen Smiley auf eins eurer Kriegsschiffe gemalt!«
*
Die Aufzeichnung endete damit, dass der Schatten eine Art Verbeugung ausführte und ebenso abrupt verschwand, wie er erschienen war.
»Verstehe. Das ist allerdings starker Stoff«, sagte Phaemonoe. »Definitiv für die Titelseiten.«
»Bis jetzt hat kein Medium darüber berichtet.«
»Aber es ist nur noch eine Frage von Minuten, glaub mir. Wenn die werten Kollegen nicht sowieso längst an ihren Aufmachern basteln. Wie lange blieb das Grinsegesicht bestehen? Zwanzig Sekunden, dreißig?«
»Siebenundzwanzig. Dann erkannte ein Sayporaner an Bord der Sternengaleone den Symbolcharakter der Figur und veranlasste die Löschung mittels Desintegratoren. Es handelte sich übrigens tatsächlich um Nanoagenten, die jedoch nur einen äußerst simplen Programmkode ausführten.«
»Simpel, aber wirkungsvoll. Siebenundzwanzig Sekunden reichen locker. Mitten in Terrania, zur besten Tageszeit, ein Riesensmiley auf einem Feindschiff ...«
»Wir sind keine Feinde.«
»Jaja. Jedenfalls muss es davon tausende Amateuraufnahmen geben inklusive der abschließenden Verneigung des schattenhaften Graffiti-Künstlers. Der Typ hat's geschafft. Jede Wette, in weniger als einer Stunde ist er ein absoluter Medienstar.«
Sie hatte sich von ihrer Begeisterung hinreißen lassen. Das merkte sie an Marrghiz' erstmals etwas
Weitere Kostenlose Bücher