PR 2658 – Die Stunde des Residenten
gehen vermutlich alle Alarmglocken hoch. Aber wenn Henrike nicht weiß, wer da zu ihr will, nimmt sie den Ruf vielleicht nicht einmal an. Bei Reginald Bull reagiert sie hoffentlich schneller.
Bulls Rechnung ging auf. Es dauerte keine Sekunde, bis das Gesicht der Ersten Terranerin auf der Fläche des Schotts auftauchte. Ohne etwas zu sagen, starrte sie Bull an. Dann verschwand die Projektion wieder. Die Tür glitt auf.
Als Bull den Schacht betreten hatte, flammte hinter ihm der Schutzschirm des Toplevels auf.
7.
Tieftaucher
Er stieg auf und spürte die Kälte. Sie kam immer näher. Es gab kaum eine Stelle, an der er an die Luft kam. Bald würde er sich auf das Futter unten beschränken müssen.
Unten war es bestimmt sicher. In der Tiefe, wo es immer kalt war, aber nie so kalt, dass das Wasser hart wurde.
Was er nicht wusste, war, dass er selbst dort kaum Futter finden würde. Er würde auf das angewiesen sein, was seine fernen Vorfahren stets in den Monaten zuvor in ihren Körpern eingelagert hatten.
Seine Instinkte hatten ihm nicht raten können, die Futteraufnahme zu vermehren, weil dieser Winter der erste seit Jahrhunderten war, der mit Schnee und Eis über das klimakontrollierte Terrania hereinbrach. Und er war ohne jegliche Vorwarnung gekommen.
Es war lediglich ein vages Gefühl der Unruhe, das ihn begleitete, als er neben den absinkenden Körpern unzähliger toter Kleinstlebewesen hinabglitt in die schwarze Tiefe.
*
»Es geht drunter und drüber in der Residenz. Überall herrscht Alarmbereitschaft. Das habe sogar ich hier oben mitbekommen.« Henrike Ybarri bot ihm mit einer Handbewegung Platz an.
Die Terrasse reichte bis hinunter zum Ufer. Der Blick erinnerte Bull ein wenig an sein altes Haus am Goshun-See.
Rings um das Haus wucherte und blühte es im Garten, scheinbar wild und doch in allen Details genau aufeinander abgestimmt. Der Duft der Blüten mischte sich mit dem des Waldes ringsherum.
Bull atmete tief durch. Er musste ein paar Augenblicke entspannen. Noch immer fühlten seine Muskeln sich verkrampft an, obwohl die Medoautomatik des Anzugs ihm einiges injiziert hatte. Stirn und Kopfhaut juckten vom getrockneten Schweiß. Er hatte Henrike erklärt, warum er lebte und wie er bis zu ihr vorgedrungen war. Auch vom Transitparkett und der Lücke im Paratronschirm hatte er berichtet.
Henrike Ybarri aktivierte eine Holodarstellung des Turms. »Deine Leute haben Chossoms Reaktionszeit gut genutzt. Wenn noch ein weiterer Schirmprojektor ausfällt, wird das untere Feld zusammenbrechen, und Verstärkung von draußen kann herein.«
»Wie geht es ihnen?«
»Sie wurden in Kämpfe verwickelt und haben sich verschanzt. Aber es ist nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Schau dir das an ...«
Mit einer Handbewegung holte die Erste Terranerin einen Teil der Residenz näher heran. Bull erkannte die unteren Ebenen des Holografie-Museums, die er selbst erst vor Kurzem passiert hatte.
Ybarri wählte einen bestimmten Zeitpunkt und aktivierte die Wiedergabe aller verfügbaren optischen Daten aus diesem Bereich. Man konnte erkennen, wie Fagesy Zugänge versiegelten und Schirmfeldprojektoren verteilten. Plötzlich kam Unruhe auf. Im Vorraum des Museums erschienen flimmernde Figuren, die Bull sehr bekannt vorkamen.
»Icho Tolot, Gucky, Perry ... verteufelt, da bin sogar ich!«
Die Fagesy wichen zurück. Rüstgeleite falteten sich um. Rufe wurden laut, dann Schmerzensschreie. Jemand hatte angefangen, auf die immer zahlreicher auftauchenden Figuren zu schießen.
»Die holografischen Führer haben für komplettes Chaos gesorgt«, erklärte Ybarri. »Schau – jetzt tauchen sie weiter weg vom Museum auf. Sie haben sich über das Netzwerk im ganzen Stockwerk verbreitet, zu jedem Terminal heruntergeladen und die Projektoren genutzt. Vor allem du kommst immer wieder vor, aber sie scheinen auch einen Narren an Icho Tolot gefressen zu haben.«
Ybarri schaltete auf Schnelldurchlauf. Die Fagesy waren von den überall auftauchenden Erscheinungen verwirrt. Im Antigrav tauchte ein Schatten auf und tobte wie ein Wirbelsturm durch sie hindurch. Überall sanken Fagesy in ihren Rüstgeleiten zusammen. Hinter Toufec stürmte ein Einsatzkommando der Ersten Terranischen Raumlandedivision aus dem Schacht, sicherte und schickte die TARAS vor.
Mitten zwischen den gepanzerten Gestalten glaubte Bull, Shanda Sarmotte zu erspähen. Sie hatte gleich neben dem Schacht hinter einem Projektor Deckung genommen. Es schien
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