PR 2661 – Anaree

Umständen statt, die sie misstrauisch machten. Anaree hatte sich schon in voller Tarnung in einer Nebenzentrale der LEUCHTKRAFT einfinden müssen, und nur die Morgenschwester war anwesend.
    Samburi Yura wirkte seltsam nervös. Sie musterte Anaree gelegentlich mit verstohlenen Blicken, und ihre kindliche Stimme stockte immer wieder kaum merklich. »Sektor 118 der Galaxis Totemhain.«
    Die Herrin der LEUCHTKRAFT rief Holos auf, die Anaree einen Überblick über die nähere Umgebung verschafften. »Eine fünfzig Lichtjahre große, unregelmäßige Ballung aus 1500 Sonnen, die sich als vergleichsweise unterentwickelte Region entpuppt hat, deren Sternenvölker noch immer an den Auswirkungen der erhöhten Hyperimpedanz leiden. Es gibt nur eine einzige Ausnahme. Die Technologie der hier ansässigen Lokopter ist verhältnismäßig hoch entwickelt. Sie leben allerdings völlig zurückgezogen und haben keinen Kontakt zu anderen Völkern.« Sie vergrößerte einige der dreidimensionalen Darstellungen, die den Einsatzort zeigten: die Welt der avoiden Lokopter, Kopters Horst, der zweite Planet der kleinen roten Sonne Lo.
    »Hier ist das BOTNETZ versteckt.« Die Morgenschwester bemühte sich, ganz beiläufig zu klingen, doch ihre Stimme zitterte leicht.
    Das BOTNETZ ... Anaree ahnte, dass es nun ernst wurde. Alles, was die Herrin der LEUCHTKRAFT in letzter Zeit unternommen hatte, schien auf diese Mission hinauszulaufen. Das seltsame Verwirrspiel strebte seinem Höhepunkt entgegen.
    Das entwendete Sternjuwel, das sie verborgen an ihrem Körper trug, schien ebenfalls auf die Ankündigung zu reagieren und strahlte eine starke Hitze aus. Es war das, das DAN ihr zugespielt und auf das sie alle Daten übertragen hatte.
    Anaree konnte nur hoffen, dass es funktionierte. Sie hatte die Aufnahmefunktion aktiviert, zeichnete alles auf, was geschah.
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Holos und die dazu eingespielten Daten.
    Auf den ersten Blick fielen Anaree bei Kopters Horst einige Eigentümlichkeiten auf. Die 48 einzigen großen Städte der Lokopter waren im exakt gleichen Abstand von jeweils 843 Kilometern entlang des planetaren Äquators angeordnet. Sie erinnerten Anaree wegen ihrer flachen Schüsselform und durch die filigranen Streben ihres silbrigen Außenflechtwerks an Vogelnester.
    Jede von ihnen durchmaß sechs Kilometer, war am Rand tausend Meter hoch und schwebte fünfzig Meter über dem Boden. Entlang des Randes erhoben sich zwölf 1500 Meter hohe und maximal 1000 Meter durchmessende eiförmige Gebäude. Im Innenbereich umgab ein Kreis aus vier weiteren derartigen Eibauten eine silbrige formenergetische Säule, die 2200 Meter hoch war und 1000 Meter durchmaß. In ihr schwebte in zwei Kilometern Höhe eine 100 Meter durchmessende und ebenfalls silberfarbene, nach oben gewölbte Halbkugel.
    Obwohl die Lokopter weder über Raumschiffe noch über Raumhäfen oder vergleichbare Einrichtungen zu verfügen schienen, stand 98 Kilometer über jeder der 48 Städte ein etwa 200 Meter großes kugelförmiges, gut verborgenes Raumfahrzeug, aus dem entlang des Äquators kanonenähnliche Flansche ragten. Die Holo-Darstellung war verschwommen. Offenbar waren die Kugeln so gut abgeschirmt, dass selbst die Instrumente der LEUCHTKRAFT Probleme hatten, sie zu erfassen.
    »In den Säulen?«, fragte Anaree.
    »In den Raumfahrzeugen.« Die Morgenschwester stellte eine Verbindung mit DAN her. In ihrem von zwei Carit-Fibeln mit blauweiß funkelnden Sternsaphiren gehaltenen Gewand wirkte sie plötzlich viel ernster und melancholischer als sonst. »QIN SHI ist erwacht«, sagte sie. »Das BOTNETZ steht bereit.«
    Dann beendete sie die Verbindung.
    Anarees Unbehagen wurde immer stärker. Wieso informierte die Morgenschwester den Bordrechner, aber nicht sie über diese neue Entwicklung? Oder war das auch ein falsches Spiel, eine Fortsetzung ihrer Täuschungen in Connajent?
    Ohne weitere Erklärungen nahm die Morgenschwester einige Manipulationen an einer ihrer Carit-Fibeln vor. Die Ortung des Gespinsts maß ein Verschleierungsfeld an, das den Raum völlig abschirmte. Sie waren nun aus der Wahrnehmung des Bordrechners verschwunden.
    Aber Samburi Yura hatte noch einige Überraschungen in der Hinterhand. Sie nahm weitere Schaltungen an der Fibel vor, und mitten im Raum erschien ein schwarzes, gestaltlos waberndes Loch von etwa fünf Metern Durchmesser. Es sah aus, als sei es aus der Raumzeit herausgestanzt.
     
    *
     
    Was war das für ein Objekt? Anaree hatte