PR 2664 – Hinter dem Planetenwall
Arbeiter sein.
In dem flirrenden grellen Licht, das senkrecht in die Höhle fiel und von Zehntausenden Flügelpaaren reflektiert und bis in den hintersten Winkel gestreut wurde, offenbarte sich die gewaltige Ausdehnung der Höhle. Sie war ein perfekt getarntes Nest. Was bis vor wenigen Minuten ausgesehen hatte wie zwar bizarr geformte, aber natürlich gewachsene Felsen, entpuppte sich als unmöglich in der ganzen Ausdehnung zu überblickende Ansammlung geschlossener Waben. Kokons mit Larven, an denen nun überall die ausgewachsenen Insekten hingen und sie mit ihren kräftigen Kieferzangen aufbrachen.
Kopfschüttelnd musterte Arun Joschannan das Head-up-Display der Biosensoren seines SERUNS. Sie zeigten eine fremde Lebensform an, aber nur ein einzelnes Individuum. Den Schwarm schienen sie überhaupt nicht zu registrieren. Joschannan vermutete, dass die unglaublich große Zahl der Insekten für die Fehlanzeige verantwortlich war; die Sensoren hatten überhaupt keine Möglichkeit, einzelne Tiere in dieser Menge zu erkennen.
»Sie sind Kmar-Denra«, sagte Tork-Trak.
Kmar-Denra – die wie Fieber schmecken. Joschannan kannte die Bezeichnung der topsidischen Insektenart, und eine Ähnlichkeit war in der Tat vorhanden. Kmar-Denra, eine Delikatesse für Topsider, mit einer sehr scharfen Note im Biss. Und kaum zerkaut, verursachte ihr Fleisch ein Aufwallen innerer Hitze. Als Joschannan zum ersten Mal dieses Fleisch probiert hatte, hatte ihn tagelang das Gefühl verfolgt, innerlich zu verbrennen. Sogar in diesem Augenblick spürte er wieder jene Glut in sich.
Ein gurgelnder Aufschrei schreckte ihn aus seinen Betrachtungen.
Onttril-Gukzz hatte sich in ihrem Versteck zu weit vorgebeugt. Offenbar war das bröselige Material unter ihr zersplittert, und sie hatte den sicheren Stand verloren. Joschannan sah sie jedenfalls den Hang hinunterstürzen.
Obwohl sie mit den Armen um sich schlug, fand sie keinen Halt. Der Untergrund war nicht nur morsch und brüchig, er war auch glitschig von den dick liegenden Exkrementen der Insekten. Immer weiter rutschte Onttril-Gukzz durch die dunkle und zähe Masse, bis sie endlich nach siebzig, achtzig Metern in einer Mulde liegen blieb.
Der Sturz hatte alle Tiere in diesem Bereich aufgeschreckt. Einige tausend mochten es sein, die wild durcheinanderflatterten und auf den Störenfried herabstießen.
Für einen Moment sah es so aus, als würden die Tiere die Topsiderin zerreißen. Joschannan fragte sich, was geschehen würde, wenn er mit dem Thermostrahler in die Menge schoss. Die Wirkung mochte nicht viel anders sein, als wenn er die Waffe auf Paralysemodus schaltete. Einem Nest voller aufgescheuchter Wespen dieser Größenordnung kam man besser nicht zu nahe.
Noch wiegte er die Waffe abschätzend in der Hand. Er fragte sich, wie er Petril-Gukzz den Tod ihrer Tochter erklären sollte. Ein Unfall? Berufsrisiko? Seine Jugendfreundin würde sich damit nicht zufriedengeben.
Er justierte den Strahler auf feine Bündelung. Das flirrende Licht und die stete Bewegung rings um Onttril-Gukzz machten ein genaues Zielen fast unmöglich. Joschannan stützte das rechte Handgelenk mit der linken Hand ab. Er visierte eines der Tiere an, senkte aber die Waffe, als Onttril-Gukzz' verrenkt daliegender Körper einigermaßen sichtbar wurde.
»Onttril ...!«
Sie hörte ihn nicht.
»Onttril-Gukzz!«
Sie würde den scharf gebündelten, sonnenheißen Glutstrahl nicht spüren, wenn er die Schuppen ihres Kopfes verdampfte und ihr das Leben nahm.
Jetzt! Arun Joschannan zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lang, wieder schoben sich ein Dutzend und mehr der geflügelten Leiber vor die Topsiderin. Joschannan biss sich die Unterlippe blutig, er zitterte.
Augenblicke später wichen die ersten Tiere zurück. Einige andere betasteten die Topsiderin aufgeregt mit den Fühlern, dann ließen auch sie von ihr ab. Minuten später achtete keines der Tiere mehr auf den Eindringling.
»Es sind die Exkremente«, sagte Henar Maltczyk zögernd. »Die Tiere mögen noch so aufgescheucht sein, sie nehmen nur ihren eigenen Geruch wahr, deshalb beruhigen sie sich wieder. Andernfalls ...« Er bückte sich und kratzte den leicht angetrockneten Kot von den Felsen. Mit einem unwilligen Murren fing er an, sich damit einzuschmieren.
Augenblicke später machte Tork-Trak es ihm nach.
Joschannan nahm beide Hände voll Dung und streifte sie am SERUN ab. Schon bückte er sich erneut, ließ dabei aber die unruhig in seiner Nähe
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