PR 2674 – Das Reich der Angst
wieder. Stan legte Odo vorsichtig auf einem niedrigen Hügel ab.
Toufec kam wieder zu uns. Stumm standen wir neben Odo.
Schließlich räusperte sich Daniil. »Was tun wir mit der Leiche? Begraben wir sie? Hier?« Er machte eine weit ausholende Handbewegung.
Ich wusste, was er meinte. Hier, an diesem gottverlassenen Ort, wo nur der Regen auf Odos Grab fallen wird?
»Vielleicht«, schlug Toufec leise vor, »sollten wir zunächst untersuchen, woran Ollowa gestorben ist.«
»Odo«, sagte ich. »Er hieß Odo.«
»Natürlich.«
»Und wie willst du das anstellen? Verfügt Pazuzu über ein Labor?«
»Das wäre eine Möglichkeit. Aber es gibt eine andere.« Er deutete auf Odos Leiche. »Der SERUN könnte uns helfen.« Er stellte eine Funkverbindung zu Ollowas Anzug her und befahl ihm eine allgemeine Untersuchung.
Nach ein paar Minuten lag das Ergebnis vor. »Ich stelle bei meinem Träger einen extremen Anstieg des Hormons Trijodthyronin fest«, teilte der SERUN mit. »Das ist als Todesursache zu sehen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte ich.
»Dieses Hormon der Schilddrüse bewirkt die Beschleunigung der Stoffwechselvorgänge, indem es für raschere, verstärkte Sauerstoffzufuhr in die Zellen sorgt«, erklärte der SERUN. »Außerdem bewirkt Trijodthyronin eine gesteigerte Verbrennung von Kohlehydraten, also Zucker und Stärke, sowie von Eiweiß und Fetten. Mit der Steigerung des Grundumsatzes ging in diesem Fall eine Erhöhung des Zuckerabbaus bis zur Erschöpfung einher.«
»Ich verstehe noch immer nicht.«
»Angst«, sagte der SERUN, »aktiviert den raschen Abbau von vorhandenen und gespeicherten Energien. Odo Ollowa hat alle seine gespeicherten Energien binnen dieser wenigen Minuten aufgezehrt – und ist verhungert.«
Ich schluckte.
»Außerdem stelle ich Veränderungen im neuronalen Komplex fest, besonders im limbischen System. Die Strukturen dort sind überreizt, geradezu verbrannt. Ollowas Gehirn ist wie sein Herz, wie sein kompletter Organismus einfach stehen geblieben. «
»Man könnte also sagen ... Ollowa ist vor Angst gestorben?«
»Ja«, bestätigte der SERUN kurz.
*
»Und was machen wir nun mit ihm?«, fragte Daniil. »Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen ... einfach so ...« Er verstummte, suchte nach Worten.
»Äschern wir ihn ein«, schlug ich vor. »Das dürfte das Beste sein. Wir führen eine Feuerbestattung durch, nehmen seine Asche mit und können sie dann in einer Urne auf Terra beisetzen, sobald wir nach Hause zurückgekehrt sind.«
Falls wir jemals nach Hause zurückkehren werden, fügte ich in Gedanken hinzu.
»Einverstanden«, sagte Toufec sanft. »Pazuzu und ich werden das übernehmen.« Er zog die Flasche hervor.
Wieder löste sich ein schnell dichter werdender Schwaden aus der Flasche und bildete die Umrisse eines Körpers. Mit einer Mischung aus morbider Faszination und Betroffenheit beobachtete ich, wie Pazuzu sich anschickte, Odo Ollowa von dem SERUN zu befreien.
Der Grund dafür war mir klar.
Normalerweise erfolgte eine Kremierung in einem speziellen Ofen, bei Temperaturen von etwa 1200 Grad Celsius, und dauerte um die 90 Minuten. Allerdings war ein SERUN dafür ausgelegt, solche Temperaturen zu überstehen, kurzfristig sogar mehr.
Darüber hinaus enthielt ein SERUN zahlreiche nicht brennbare Bestandteile. Ganz zu schweigen von dem Inhalt der zahlreichen Taschen, den Mikrobomben und sonstigen Sprengsätzen, die ein Saboteur mit sich führte.
Selbst wenn es uns gelingen sollte, den SERUN zu zerstrahlen, würde er Odos Asche verunreinigen. Es war also einfacher, Odo vorher zu entkleiden.
»Ihr müsst euch das nicht ansehen, wenn ihr nicht wollt«, sagte Toufec.
»Ich bleibe«, sagte Daniil rau. »Ich erweise ihm die letzte Ehre.«
»Ich auch.« Ich setzte mich auf eine niedrige Anhöhe und sah zu.
Aber nicht lange. Irgendwann schloss ich die Augen. Die Details wollte ich mir ersparen.
Ich dachte über unsere Lage nach. Man konnte sie nur als abstrus bezeichnen. Drei Galaktiker warteten auf einem rätselhaften fremden Planeten darauf, dass ihr Kamerad eingeäschert wurde. Als gäbe es keine Akademie für Logistik, die auf uns aufmerksam werden könnte.
Regen schlug mir ins Gesicht und durchnässte mein Haar, bis es mir am Kopf klebte, doch ich aktivierte den SERUN-Helm nicht. Ich fühlte mich schwach und unkonzentriert.
Ich hörte, wie Pazuzu – oder Toufec – den Thermostrahler aktivierte. Es waren nur ein paar Sekunden, schien aber
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