PR 2674 – Das Reich der Angst
hatte, eher ein Psychospiel, das beide Seiten mit unterschiedlichem Vergnügen führten. Der Dekan genoss es offensichtlich mehr als wir. Er hielt schließlich auch die weitaus besseren Karten in der Hand.
»Eure Gehirne«, wechselte Paichander abrupt das Thema. »Ich habe selten so schöne Exemplare gesehen. Was für wunderbare Organe!«
Ich warf Toufec einen verstohlenen Blick zu. Schlagartig hatte sich der Tenor des Gesprächs geändert. Das Vorgeplänkel war vorbei.
»Was meinst du damit?«
»Nun ja ... dein paranormales Gehirn, die Gedächtniszentren deines Begleiters ... Toufec, nicht wahr? Das alles ist hochinteressant und attraktiv. Ich weiß kaum, wen ich bevorzugen soll.«
Ich nickte langsam, weil ich darauf nichts zu erwidern wusste. Die Sayporaner mussten uns unbemerkt untersucht haben. Vielleicht hatten sie uns in unserer Zelle gescannt. Sie wussten jedenfalls von meinen Fähigkeiten. Damit hatten wir einen sicher geglaubten Trumpf verloren.
Zumindest zu einem gewissen Teil. Die Art meiner Begabung war ihnen vielleicht nicht genau bekannt.
»Warum seht ihr mich als Feind an?«, fuhr Paichander leichthin fort. »Diese Sichtweise ist nicht sehr förderlich, für uns alle nicht.«
»Wie sollen wir dich stattdessen ansehen?«, fragte ich.
»Jedenfalls nicht mehr als Feind. Vielleicht eher ... ja, gewissermaßen als physiologischen Herbergsvater einer gemeinsamen Zukunft. Kannst du dir das vorstellen?«
Nein, ich konnte es mir nicht vorstellen. Das an der Oberfläche so freundlich geführte Gespräch hatte eine tödliche Wendung genommen. »Würdest du uns diese so attraktiven Gehirne zur Not auch gegen unseren Willen entnehmen?«
Paichander lächelte. »Von dem alten Brauchtum, Organe nur im Einverständnis mit dem Spender zu entnehmen, halte ich wenig bis nichts. Ich habe im Laufe meines Lebens durchaus mit der einen oder anderen Gewohnheit meines Volkes gebrochen. Wer wie ich die Welt zum immer Besseren wenden will, muss hier und da zu einem Einschnitt bereit sein.«
»Wir werden uns nicht damit einverstanden erklären«, sagte ich. »Freiwillig wirst du keine Körperteile von uns bekommen, unsere Gehirne schon gar nicht.«
»Wir werden sehen«, sagte Paichander. »Eure Weigerung kann vielleicht geringere Geister als mich erschrecken oder beleidigen. Ich hingegen bin geduldig und großzügig. Denkt in Ruhe über mein Angebot nach und genießt bis dahin unsere Gastfreundschaft.«
Damit waren wir entlassen.
Die Tür hinter uns öffnete sich wieder, und Irriv und Bless nahmen uns in Empfang.
Zofe und Junker begleiteten uns zurück auf unser Zimmer.
In unser Gefängnis.
11.
Zyorin Zopai
»Er meint es ernst!« Aufgebracht schritt ich in unserer kleinen Zelle auf und ab. »Er hockt selbstherrlich auf seinem verdammten Thron, ohne den er schon längst verreckt wäre, und glaubt, wir würden uns freuen, wenn er Körperteile von uns aufnimmt. Und das gegen unseren ausdrücklichen Willen!«
»Natürlich meint er es ernst.« Toufec stand ruhig da, die Schultern gegen eine Wand gelehnt. »Hast du keine Hypnoschulung über die sayporanische Denkweise bekommen? Oder nicht zugehört, wenn Chourtaird etwas über sein Volk erzählt hat?«
»Nein, habe ich nicht. Wie kannst du ihn bloß verteidigen?«
»Ich verteidige ihn nicht, ich versuche nur, seine Denkweise zu verstehen, um besser darauf reagieren zu können. Das Gespräch ...«
»Das Gespräch war eine Farce!«
»... hat eindeutig aufgezeigt, dass Paichander sehr angetan von uns ist, wenn nicht sogar begeistert. Er glaubt, uns Gutes zu tun, wenn er uns aus der engen Hülse, dem Kokon unserer elenden, einzelkörperlichen Existenz, befreit.«
»Das ist doch monströs!«
»Das ist keineswegs monströs, sondern eine Eigenart des sayporanischen Denkens. Die Integration von Hirnarealen bedeutet in seinen Augen eine Rangerhöhung für uns. Und dass er selbst diese Organe oder Organbestandteile aufnehmen wird, ist nichts anderes als Ausdruck seiner Wertschätzung für uns.«
Ich blieb stehen, versuchte, mich zu beruhigen. Es gelang mir nur mit Mühe. »Und was tun wir jetzt? Lassen wir uns füttern wie Hänsel und Gretel, damit wir ihm schöne Organe zur Verfügung stellen können?«
Toufec sah mich fragend an. Dieses Märchen hatte anscheinend nicht zu den ausgewählten Texten gehört, mit denen Delorian Rhodan ihn auf das Leben im fünfzehnten Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung vorbereitet hatte.
»Schon gut«, sagte ich.
Weitere Kostenlose Bücher