PR 2684 – Ein Pfand für die Spenta
übermächtigen Fluchtreflex erlegen.
Die Panik verschwand so schnell, wie sie gekommen war.
Er atmete tief durch und wartete geduldig, bis sich sein Körper wieder beruhigt hatte.
»Es stimmt«, sagte er dann. »Ich bin ein Freund der Dosanthi. Ich halte eure Fähigkeiten – insbesondere euer Calanda – für außergewöhnlich und phantastisch. Nie werde ich die letzte Epistel aus eurer Litanei vergessen, die da heißt: ›Mit Geburtswut treten wir ins Leben, und mit Todesangst verlassen wir sie.‹«
»Okená!«, formulierten die siebzehn Dosanthi in der Wohnkaverne die rituelle Endformel wie aus einem Mund.
»Ich weiß, dass es nicht in eurer Natur als Dauererregte liegt, geduldig auf einen Einsatz zu warten. Leider ist der Moment noch nicht gekommen, an dem ich den Befehl zum Aufbruch in den Kampf geben kann. Wir alle warten auf das große Ereignis, das eintreten muss, bevor wir das Sonnensystem, in dem wir uns befinden, einnehmen können.«
Er blickte sich langsam um, versuchte im Halbdunkel jedes Gesicht der Agal-Atimpal zu erfassen, um einen persönlichen Bezug zu den Dauererregten herzustellen.
»Aber jedes Problem kann gelöst werden, wenn nur der Wille dazu da ist«, fuhr er fort. »Was ihr nicht wisst, ist, dass sich unser Schiff auf dem Grund des Ozeans einer Sturmwelt befindet. Damit die Bewohner der Monde dieser Welt und des restlichen Sonnensystems nicht zu früh von unserer Anwesenheit erfahren, haben wir alle unnötigen Aggregate heruntergefahren. Die KOKOLLUN läuft derzeit auf dem denkbar tiefsten Energieniveau.«
Er machte eine kurze Pause, holte tief Luft.
»Welche Worte der Litanei habt ihr vorhin zitiert? ›Furcht ist die Brise, der Aufwind, der Sturm, der führt sie fort.‹ Und genau dies werde ich euch und den anderen Agal-Atimpal unserer Flotte geben: die Möglichkeit, euch für kurze Zeit in den gewaltigen Winden dieser Sturmwelt austoben zu können!«
Laute der Überraschung und Vorfreude erklangen.
Chular Sairett blickte ihn von der Seite her bestürzt an.
»Ich nehme an, dass die speziellen Einsatzanzüge bereits zur Verfügung stehen?«, fragte Paitäcc den Dosanthi-Kommandanten.
»Selbstverständlich!«
»Sehr gut.«
Der Inspektor blickte erneut in die Gesichter der Dauererregten. Jene, die bisher am Boden gesessen hatten, sprangen auf. Sie gierten nach Bewegung, nach einem Ventil, um Druck ablassen zu können.
»Der Aktionsradius wird genau festgelegt und von Kommandant Sairett überwacht werden«, sagte Paitäcc scharf. »Die Sturmwelt ist größtenteils unbewohnt, aber es wäre verheerend für unsere Pläne, wenn etwas geschähe, was die Terraner Verdacht schöpfen ließe. Dasselbe gilt für die Besatzungen unserer Flotte – sie dürfen von den zweifellos eintretenden Ogokoamo-Eruptionen absolut unberührt bleiben. Ist dies klar? Hat jeder von euch verstanden, was ich soeben gesagt habe?«
Er wartete ab, bis er von jedem der fünfzehn Agal-Atimpal ein Zeichen der Zustimmung gesehen hatte. Dann wandte er sich an Sairett und Isran. »Ihr werdet die Aktion Sturmreiter planen und überwachen. Ist alles klar?«
»Okená!«, bestätigte Chular Sairett.
Der Sayporaner lächelte. »Und noch etwas: Ich werde euch selbstverständlich bei eurem Ritt durch den Sturm begleiten. Und wenn es das schrecklichste und fürchterlichste Erlebnis meines Lebens werden sollte.«
10.
Im Großen Sprachgitter
Persönliche Aufzeichnungen Prester Jellicoe
Ich habe meinen Helm kurz geschlossen, um diesen Moment festzuhalten. Ich fühle etwas in mir, was ich seit meinem ersten Trip in den Weltraum niemals wieder in diesem Extrem wahrgenommen habe:
Erhabenheit.
Wir gehen durch eine Stadt, gebaut von Lebewesen, die fremder sind als alles, dem ich jemals begegnet bin. Eine Stadt, die im Innern einer Sonne existiert!
Undeutliche Gestalten in oder hinter den Wänden, die sich wie Meereslebewesen von Strömungen treiben lassen. Die beiden seltsamen Geschöpfe vor uns, körperlich gewordene Gestalten aus phantastischen Trivid-Filmen. Die Puppe und der Koloss. Unsere Begleiter durch eine unwirkliche Welt.
Wir: ein Unsterblicher, ein Augure, eine Mutantin.
Und ich.
*
Die ungewöhnliche Situation ließ Shanda Sarmotte nicht unberührt.
Es war nicht nur das Wissen, dass sie sich im Innern einer Sonne aufhielten. Auch die seltsamen Silhouetten hinter den milchigen Wänden fühlten sich unheimlich an. Leer, frei von Gedanken. Vielleicht waren sie auch nur das: Silhouetten.
Und
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