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PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

PR 2687 – Alles gerettet auf ewig

Titel: PR 2687 – Alles gerettet auf ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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aus.
     
    *
     
    »Lass uns reden«, sagte Paichander. Der Dekan hörte sich erschöpft an wie von einer elend langen Wanderung.
    »Du solltest mich töten«, murmelte Toufec. Sprechen fiel schwer mit der blutverkrusteten Zunge und den vielen gelockerten Zähnen. »Mich töten. Das ist doch der einzige Weg.«
    »Der einzige Weg? Der Weg wohin?«, fragte der Dekan, als wäre seine Neugier erwacht.
    »Nun, nicht in mein Herz«, höhnte Toufec. Er spürte, wie er sich erholte. Schneller als befürchtet, aber langsamer als erhofft.
    Er glaubte die Nanogenten zu fühlen, wie sie in seiner Leber arbeitete, seine Rippen flickten, die gebrochenen Armknochen sanierten. Rede mit ihm, rede immer weiter.
    »In dein Herz? Was sollte ich in deinem Pumpmuskel?«
    »Ja«, sagte Toufec und lachte und hustete zugleich etwas Blut aus. »Was wohl? Obwohl – in Herzenssachen bist du wohl kein Fachmann.«
    »Sicher nicht. Kein Fach mann «, sagte Paichander. Die Situation schien ihn mehr und mehr zu amüsieren. »Aber vielleicht eine Fach frau?«
    »Du wärst eine Frau?«
    »Wie bei den Menschen sind auch bei uns alle Lebewesen zunächst weiblich«, belehrte ihn der Dekan. »Bei uns ist es so, dass im Zuge unserer organischen Individualisierung manche Männer sich diesem Urzustand wieder annähern. Manche erreichen ihn, einige überholen ihn sogar.« Er lächelte. »In gewisser Weise könnte ich deine Mutter sein.«
    Toufec verstand nicht. Er wollte auch nicht verstehen, was Paichander ihm sagen wollte. Er wollte nur Zeit gewinnen. Doch die Idee, der Dekan sei eine Frau – oder etwas wie eine Frau –, verärgerte ihn. »Mütter sollten ihre Kinder nicht töten«, sagte er.
    »Sollten sie nicht?«, fragte Paichander verwundert. »Sollten sie nie? Oder sollten sie nur unter bestimmten Bedingungen nicht? Ferner, du bist nicht mein Sohn. Noch nicht. Ferner, es gibt viele Mittelwege zwischen Tod und Leben.«
    Erst in diesem Augenblick begriff Toufec, warum er nicht längst tot war. Warum von diesem Saal, von diesem Uteral aus die Antuu wie Jagdhunde zurückgepfiffen worden waren, warum sie ihn hatten verschonen müssen.
    Und warum der Dekan die Nanogenten, von deren Arbeit in Toufecs Körper er doch wissen musste, gewähren ließ.
    Warum er es überhaupt bis in diesen Raum geschafft hatte.
    Geschafft hatte? Was für ein Irrtum! An diesen Ort gelockt worden war.
    »Töte mich!«, schrie er. »Pazuzu! Töte mich, sofort!«
     
    *
     
    Eine Schockwelle wogte durch Toufecs Leib. Es fühlte sich wie Ohrenschmerzen an, bohrend und betäubend, aber es tobte nicht nur in seinem Ohr, sondern in seinem ganzen Körper. Und es war infernalischer als alles, was er bislang erlitten hatte. Es war wie das Eindringen einer Horde von Afriten, Millionen von ihnen, um sämtliche Nervenfasern mit lohendem Zunder in Brand zu setzen.
    Dennoch blieb Toufec bei Verstand, sein Verstand war sogar klarer denn je: Es waren die Nanogenten, die da in ihm loderten. Paichander musste sie mit einer unbekannten Waffe angegriffen haben, einer Waffe, die wahrscheinlich im Uteral untergebracht war.
    Wann mochte der Dekan ihn entdeckt haben? Hatte er Toufec schon in seiner Gyvie-Gestalt durchschaut? Oder hatte Khayd ihn erkannt und verraten? Oder hatten die Antuu hinter seine Maskerade geschaut, als sie die Landschaft seiner Sehnsüchte und seiner Ängste erforscht hatten?
    Wie auch immer: Paichander wollte ihn. Er wollte einen Körper wie seine Nanogenten. Und er wollte beides in seiner siechen Hülle verklären.
    Toufec warf den Kopf hin und her, krümmte sich wehrlos wie aufs Rad geflochten. Der Neuroeffektor kam in den Blick. Die Waffe verformte sich, verlor ihre Konsistenz. Etwas wie eine silbrige Schlange wand sich dort, zerfloss, kam wieder zusammen, als kämpfte sie um eine Gestalt. Der Impulsstrahler, der Desintegrator, die Phenube – schnell wechselnde Umrisse, immer neue, blasse Farben, metallische, dabei unfertige Strukturen.
    Endlich kam der Formwandel zum Ende. Anstelle des Strahlers lag dort ein Schwert. Nur dass dieses Schwert leicht deformiert war, da und dort uneben, die Spitze gespalten wie eine Schlangenzunge, die eine Schneide stumpf und marode, die andere übermäßig geschliffen wie ein Skalpell.
    Hatten die beschädigten Nanogenten sich in diese schlichte Form gerettet?
    »Dein Nanogentenschwarm hat keinen bleibenden Schaden erlitten«, erklärte Paichander. »Von dem einen oder anderen isolierten Fragment einmal abgesehen.«
    Sollte ihn das trösten?

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