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PR 2688 – Die zweite Wirklichkeit

PR 2688 – Die zweite Wirklichkeit

Titel: PR 2688 – Die zweite Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arndt Ellmer
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über den Piloten selbst oder über den Geschwaderchef, als der er sich verstand. Für ein Lebewesen seines Volkes war er sehr alt, und er lebte allein in dem Speichenschiff. Alle übrigen Mitglieder seines Volkes waren tot; verdurstet und verhungert auf ihrem Irrweg durch das All.
    Der Pilot sandte einen Notruf herab zum Planeten. »Wenn jemand mich hört, schick mir Lebensmittel. Sonst geht es auch mit mir zu Ende.«
    Sie spürten seine Verzweiflung. Sein Schiff war ein einziger Friedhof. Er hatte als Letzter überlebt und auch nur deshalb, weil es ihm gelungen war, einige der Toten so zu konservieren, dass ihr Fleisch genießbar blieb.
    »Ein Kannibale«, summte der Chor. »Es fehlt ihm ein Arm. Bestimmt ist er auch Autophage. Wir sind verpflichtet, ihm zu helfen.«
    Ihre Hilfsbereitschaft stieß an Hindernisse, die höher waren als ihre Welt.
    Sie besaßen keine Fahrzeuge, mit denen sie ihm Nahrungsmittel in den Orbit schicken konnten.
    Das große Schiff war nicht in der Lage, auf dem Planeten zu landen, ohne zu zerbrechen.
    Beiboote gab es aus nicht erkennbaren Gründen keine.
    Das einsame alte Wesen dort oben war zum Tod verurteilt. Sie spürten seinen Schmerz, aber sie entschieden sich gegen eine Kontaktaufnahme. Der Schutz ihres Volkes war wertvoller. Hätten sie dagegen verstoßen, wären sie zu ihren eigenen Totengräbern geworden. Nicht auszudenken, wenn Fremde die wertvollen Kristallvorkommen im Innern des Berges entdeckt und abgebaut hätten!
    Nach drei Tagen und drei Nächten gab der Fremde auf. Das Speichenschiff löste sich aus dem Orbit. Verwirrt verfolgten die Peaner, wie es der Sonne zustrebte, statt sich aus ihrem Bann zu lösen. Der Fremde schwieg, er schickte keine Funksprüche mehr. Die Reflexion im paranormalen Bereich versiegte, die Peaner erkannten nichts mehr. Nach einer Weile meldeten die Wächter, dass es an der Sonne einen kurzen Lichtblitz gegeben hatte wie von einer Explosion.
    »Wie lange können wir solche Erfahrungen durchhalten?«, summte der Chor. »Ist es nicht unsere Aufgabe zu helfen? Ist es sinnvoll, unser eigenes Leben durch das Leid anderer zu erkaufen? Wo bleibt unsere sittliche Reife? Müssen wir immer über den Dingen stehen?«
    Sie gaben sich die Antwort selbst. Sie würden es wiedergutmachen, denn jedes Leid führte zu weniger Geburten in ihrem eigenen Volk und verkürzte damit dessen Existenz. Dass Besuch aus dem All nur höchst selten vorkam, alle paar Tausend Sonnenumläufe einmal, stellte nur einen geringen Trost dar. Auf Pean wurden viele Bäume steinalt, ohne sich zu vermehren.
     
    *
     
    Zum großen Feuerfest wanderten alle Peaner des Planeten zu der höchsten Erhebung in den Wäldern und versammelten sich dort. Während in den Dörfern die Scheiterhaufen brannten, bildeten die Lebenden einen geistigen Verbund. Mithilfe ihrer paramentalen Kräfte vernetzten sie alle Bewusstseine zu einem flirrenden Gespinst, das den bodennahen Raum ihrer Welt überzog.
    Während die Toten des vergangenen Jahres durch das Feuer gingen und die Asche ihrer Überreste sich mit dem Wind verteilte, machten sich die Lebenden an die Durchmusterung des Planeten. Sie streichelten mental Bäume und Büsche, entdeckten Zonen der Fäulnis mitten im Wald, zu denen sie Ärzte sandten.
    Und sie wussten danach, wie viele Peaner zurzeit auf ihrer Welt lebten. Jahre, in denen ihre Population stabil blieb, feierten sie besonders ausgiebig. Jahre, in denen die Zahl zurückging, betrauerten sie. Seit ihre eigene Generation zurückdenken konnte, hatte es kein Jahr gegeben, in dem mehr Peaner als im Vorjahr gelebt hatten.
    Peaner lebten in Harmonie mit ihrer Welt, deshalb hatten sie ein besonderes Verhältnis zur Harmonie jeglicher Art, eine gewisse Distanz und Kritik eingeschlossen. Zu viel Harmonie bedeutete in ihren Augen, die kleinen Schimmelzonen zu übersehen, die sich über Nacht zu einer tödlichen Bedrohung auswachsen konnten.
    Peanern war diese harmonische Distanz bereits in die Wiege gelegt. In der Erziehung schärften sie den Jungen das Bewusstsein dafür.
    Dass sich das Jahr des doppelten Feuers zu einem Schicksalsjahr in ihrer Existenz entwickeln würde, ahnte kein Peaner.
    Die Ankunft eines mächtigen Geisteswesens kündigte sich mit einer psionischen Bugwelle an, ein mentaler Tsunami von so großer Macht, dass er alle Peaner aus ihren Betrachtungen riss.
    »Ein Potenzial ungeahnter Stärke nähert sich«, summte es rund um den Planeten. »Es ist ängstlich, es versucht sich zu

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