PR 2700 – Der Techno-Mond
Schneeköniginnen und ihre Schlösser vorkamen.
Schließlich hielten sie vor einer gewölbten Stahlwand, die aussah wie ein Teil der Außenseite einer Kugel. Eine verblüffend nüchtern wirkende Schleuse führte in deren Inneres, ein Aufzug, der teleskopartig aus der hohen Decke des Raumes herabfuhr, nach oben.
»Unsere Wege trennen sich«, erklärte Yonder. »Ich muss in die Zentrale. Jatin begleitet dich hinauf in den Kreml. Viccor erwartet dich dort.«
»Sieh an«, sagte Rhodan. »In den Kreml. Erinnerungen werden wach.«
Der Kommandant lächelte verhalten. »Das ist eine von Viccors Leidenschaften: Erinnerungen wachzuhalten.«
*
Der Aufzug war zu Rhodans Überraschung ein altmodischer Kabinenaufzug, wie er ihn seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Jatin stieg mit großer Selbstverständlichkeit ein, Rhodan folgte ihr, und dann war zu spüren, wie die Kabine, deren Wände voller schnörkelig-goldumrahmter Spiegel hingen, sich aufwärtsbewegte.
»So hat es mehr Stil«, sagte die Ara leise. »Mehr als mit einem Antigravschacht.«
Rhodan hob die Schultern. »Es ist sein Schiff. Und solange es keine Strickleitern sind ...«
Zu seiner Überraschung brachte sie das zum Lachen.
Die Kabine kam zum Stehen, öffnete sich, und Viccor Bughassidow stand vor ihnen wie einer Trividsendung entstiegen: Schlank und durchtrainiert, elegant, aber schlicht gekleidet, mit durchdringend blickenden hellblauen Augen, in deren Fältchen der Schalk blitzte. Bughassidow war Anfang fünfzig und sah aus wie das blühende Leben.
Was die Präsenz einer Leibärztin umso rätselhafter machte.
Vermutlich, überlegte Rhodan, war das nur eine offizielle Bezeichnung für ein gänzlich andersgeartetes Verhältnis der zwei, das ihn nichts anging.
»Rhodan!« Bughassidow stieß den Namen aus wie ein heilkräftiges Mantra. Er packte Rhodans Rechte so heftig mit beiden Händen, als empfinge er einen verloren geglaubten Bruder. Einen Moment war Rhodan überzeugt, dass Bughassidow auch zu einem guten alten russischen Bruderkuss ansetzen würde. Doch der Milliardär schien sich im letzten Augenblick anders zu besinnen und sagte nur: »Es freut mich unsagbar, dass du hier bist.«
»Gewisse Aspekte deiner Einladung«, erklärte Rhodan, der einerseits nicht lügen, andererseits aber seine wahren Motive auch nicht offenlegen wollte, »haben mein Interesse geweckt.«
»Ich hoffe, dieses Interesse wachhalten zu können.« Bughassidow bedachte seine angebliche Leibärztin mit einem wohlwollenden Lächeln, das sie erwiderte, das aber nicht das Geringste verriet.
Dann wies der Milliardär in Richtung einer weit übermannshohen, schneeweißen, mit goldenen Ornamenten verzierten Tür. »Lass uns den guten Beginn unserer Bekanntschaft an einem behaglicheren Ort fortsetzen. Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Imbiss vorbereiten zu lassen.«
10.
17. Juni 1514 NGZ, 11.30 Uhr
Eastside-Sektor Ghatamyz
Die Lage normalisierte sich allmählich. Soweit man von Normalität reden konnte. Die geretteten Jülziish waren versorgt und, was die Verletzten anbelangte, alle transportfähig. Die TABRIZ-XII brachte sich neben der GALBRAITH DEIGHTON in Position, bereit, sie zu übernehmen. Oberst Anna Patoman hatte per Hyperfunk mit dem zuständigen Medo-Center auf Ghatamyz gesprochen, um die Details der Übergabe zu klären – anzufliegender Raumhafen, die dort zu treffenden medizinischen Vorbereitungen und so weiter – und gerade eine frische Tasse Pfefferminztee geordert, als die Ortung Alarm schlug.
»Kommandantin! Es kommen Schiffe aus dem Linearraum. Viele.«
»Was für Schiffe?«
»Blues.«
Anna Patoman ließ den Tee stehen, war mit raschen Schritten hinter ihm. »Du meine Güte«, entfuhr ihr. »Wie viele sind das?«
»Insgesamt ... 2744 Schiffe«, las Ortungsoffizier Goron Deker das Ergebnis der automatischen Zählung ab.
»Zweitausendsiebenhundert!«
Nicht die Größe der Flotte war das Erstaunliche. Die Jülziish waren eine sehr fruchtbare, sehr intelligente und sehr arbeitsame Spezies. Wären sie untereinander nicht so zerstritten gewesen – aus Gründen, die der Rest des Universums vermutlich niemals wirklich verstehen würde –, hätten die Jülziish ohne Weiteres die größte Raumflotte der Milchstraße aufstellen können und sich dafür noch nicht einmal besonders anstrengen müssen.
Erstaunlich war der Zeitpunkt. Wieso jetzt? Wieso erst jetzt?
Anna Patoman kniff die Augen zusammen. Was ging da vor sich? Wie kritisch die Lage
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