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PR 2702 – Das positronische Phantom

PR 2702 – Das positronische Phantom

Titel: PR 2702 – Das positronische Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
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Onryonen von Anfang an vertraut, offiziell stets betont, dass sie für die Hoffnung stehen, dass Luna eines Tages heimkehren wird. Das kann ich nicht mehr zurücknehmen, ohne jede Glaubwürdigkeit zu verlieren.
    Und als Privatmensch? Auch da ist es nicht einfacher. Pri ist noch zu klein, ich darf sie nicht überfordern. Sie hat bereits ihren zweiten Vater verloren, Golo, der uns verlassen hat – und vielleicht denkt sie, sie hat mich genauso verloren, weil ich zu wenig Zeit mit ihr verbringe. Die Umstände rauben meinem kleinen Mädchen viel zu viel von seiner unbeschwerten Kindheit.
    Tamea leidet außerdem entsetzlich unter dem unglücklichen Gesicht, das Pri manchmal macht, wenn sie glaubt, dass niemand es sieht. Ich kann meine Frau nicht auch noch mit meinen Zweifeln belästigen.
    Also trage ich alles für mich selbst und hoffe, dass sich alles zum Guten wenden wird.
    Meine Finger zittern, während ich diese Zeilen diktiere. So ist es meistens in diesen seltenen Momenten der Ruhe. Ich habe eine halbe Ewigkeit lang keine Eintragungen mehr in dieses Tagebuch geschrieben.
    Ich muss mir öfter eine Auszeit gönnen.
    Ich muss!
    Aber das sagt sich leichter, als es tatsächlich ist.
    Mir liegt ständig diese Angst im Nacken. Was, wenn ich alles falsch gemacht habe? Wenn ich die ganze Bevölkerung von Luna in den Untergang treibe? Wenn die Onryonen unsere Feinde sind und das nur geschickt verbergen?
     
    *
     
    »Bereit?«
    »Bereit.«
    Antonin Sipiera schaute sich um. Es war ein eigenartiges Gefühl, an diesem Ort zu sein, an einer von NATHANS Schnittstellen. An dem Punkt, der Zugriff auf das Mondgehirn erlaubte, auf die leistungsfähigste Positronik der Menschheit.
    Nun sollte alles anders werden. Antonin verschränkte die Hände ineinander und hörte sofort damit auf, als er es bewusst wahrnahm. Nervöse Gesten würden seine Unruhe ganz sicher nicht beseitigen, und außerdem durfte niemand merken, welche Zweifel er hegte.
    Er war Antonin Sipiera!
    Der Administrator!
    Derjenige, der den Onryonen überhaupt erst erlaubt hatte, auf NATHAN zuzugreifen und eine Verbindung zum Zentralrechner ihrer Stadt Iacalla herzustellen. Also durfte er nun keinen Zweifel an seiner eigenen Entscheidung an den Tag legen.
    Die Argumentation der Onryonen klang so einfach wie überzeugend: Mit NATHANS Hilfe erhöhten sie ihre Rechenkapazität exponentiell, um damit das Projekt »Reportal« voranzutreiben. Außerdem konnten sie so die Mondbeben genauer erforschen.
    Dem Administrator war, wie wahrscheinlich allen klar denkenden Lunarern, jedes Mittel recht, das versprach, die entsetzlichen Beben in den Griff zu bekommen.
    Vor einigen Tagen erst hatte eines der Beben Teile von Luna Town III zerstört; die bisher größte Katastrophe. Seitdem geisterten diverse Vorstellungen der endgültigen Apokalypse in sämtlichen Medienkanälen. Antonin war durch die Trümmer der eingestürzten Häuser gewandelt, hatte Zerstörung gesehen und ...
    ... und Leichen ...
    ... und Krater, die Hunderte Meter in die sublunaren Wohnetagen reichten. Es gab fast tausend Todesopfer, weil die Warnung zu spät hatte ausgegeben werden können.
    Nach wie vor galten ein Dutzend Kinder als vermisst. Niemand rechnete mehr damit, sie noch lebend zu finden. Die Rettungsteams suchten mit allen Mitteln, mit Heerscharen von Robotern, mit Wärmetastern und Infrarotsensoren, mit ...
    »Antonin?«
    Jemand nannte seinen Namen und riss ihn damit aus den grüblerischen Gedanken. Er wandte sich um. Ein Onryone sah ihn aus stets etwas trüben, leicht verschleierten Augen an. Die Ohren ragten ungewöhnlich weit aus dem Hinterkopf, höher als bei anderen seines Volkes. Es war Aytosh Woytrom.
    »Oh ja«, erwiderte Antonin. »Bitte entschuldige, Aytosh. Von unserer Seite aus ist ebenfalls alles bereit. Ich wünsche dir gutes Gelingen.«
    Doch tat er das tatsächlich?
    Der Onryone ging an die Arbeit; auch wenn niemand außer ihm nachvollziehen konnte, was genau er tat. Woytrom nannte sich selbst einen Genifer, einen Mittelsmann zwischen den Lebenden und der Technologie.
    Genifere verbanden ihre Gedanken direkt mit den positronischen Anlagen. Antonin war ein Laie, was derlei Dinge anging; er hatte auch nie begriffen, was Golo in all den Jahren wirklich getan hatte während seiner Arbeit mit NATHAN.
    Wenn er sich nicht irrte, kommunizierten die Genifere unmittelbar mit den onryonischen Rechnern; oder in diesem Fall eben nicht mit einem Produkt der eigenen Technologie, denn Woytroms Ziel bildete

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