PR 2707 – Messingträumer
blieb als eine in der Luft hängende Wolke aus Steinstaub mit dem vagen Umriss der Frauengestalt. Bevor sie verwehen konnte, fror ein Traktorfeld den Staub ein. Schließlich leuchtete an der Wand der Titel des Kunstwerks auf: Leben, falsche Fährte.
»Der Künstler nennt sich übrigens VITEC«, sagte Yonder. »Seine Staubskulpturen erzielen auf den Auktionen des MAK regelmäßig Höchstpreise.«
Rhodan nickte. Yonder wirkte lebhafter als sonst. Rhodan verstand nicht ganz, wie man diesem gigantischen Kuriositätenkabinett so viel Aufmerksamkeit entgegenbringen konnte, gönnte dem Kommandanten der KRUSENSTERN aber dieses Vergnügen.
Sobald man dem Plasmahirn gegenüberstand, würde es ernst.
»Eine Sache könnte dich besonders interessieren«, sagte Yonder. »Oder kennst du den Nornenspiegel bereits?«
*
Die Plasmakommandanten residierten in Kuppeln, deren Bodendurchmesser fünfzehn Meter betrug bei einer maximalen Höhe von fünf Metern.
Sechs Kuppeln brauchte es, um die insgesamt etwa 5300 Kubikmeter Zellplasma aufzunehmen; dazu kamen die unvermeidlichen Versorgungsanlagen, die ihrerseits in Kuppeln untergebracht waren.
Die Plasmakommandanten waren allesamt Ableger des Zentralplasmas der Hundertsonnenwelt. Terranische Wissenschaftler bezeichneten die Zellstruktur des Plasmas als omniform ; die Zellen betrieben eine Art von Stoffwechsel; sie lagerten sich übereinander, ohne unter dem eigenen Gewicht zu kollabieren; sie nahmen auf diffuse Weise wahr.
Erst wenn die Zellstruktur bionisch mit den positronischen Elementen eines Posbis vernetzt wurde – oder mit der Positronik eines Fragmentraumers –, erst wenn Leben und Mechanik hypertoyktisch verzahnt waren, bildete das Plasma paraneuronale Strukturen aus. Und begann, mit den Sensoren des Schiffes zu sehen, zu hören, zu tasten.
Auf diese Weise gehörten die Posbis zu den wenigen Geschöpfen, die die unerschöpflichen Dimensionen der Wirklichkeit – die Weite des leeren Raumes etwa, seine Kälte, die Strahlenschauer, die ihn durchwehten, möglicherweise selbst den Linearraum – bewusst wahrnehmen konnten.
Umso unbegreiflicher, dass einer dieser Plasmakommandanten diese Welt gegen eine Residenz im MAK eingetauscht hatte.
Sie mussten eine Schleuse passieren, um in den Saal des Zellplasmas zu gelangen. Im ersten Moment glaubte Rhodan tatsächlich, in der Zentrale einer Posbi-BOX zu stehen. die Schnörkellosigkeit des Raumes, die Kuppeln, das diffuse Licht.
Aber in der Zentrale eines Fragmentraumers hätte es die bequemen Pneumoliegen nicht gegeben. Nur eine der Liegen war belegt; die lautlosen Lippenbewegungen des Mannes dort ließen Rhodan vermuten, dass dieser Gast ein akustisches Dämpfungsfeld über seine Liege gelegt hatte. Er hatte die Augen geschlossen und bemerkte die neuen Gäste nicht.
Sie bewegten sich etwas tiefer in den Saal. Yonder befahl drei Liegen heran. Die Möbel glitten auf Prallfeldern in ihre Richtung; sie sortierten sich sternförmig und so, dass die Kopfteile beieinanderlagen.
Die drei Männer nahmen Platz; Yonder aktivierte wie der andere Besucher das akustische Dämpfungsfeld.
»Kontakt!«, bat Yonder.
»Kontakt«, sagte eine sonore, leicht nachhallende Stimme.
»Mein Name ist Marian Yonder. Ich bin Kommandant eines Fragmentraumers.«
»Ich war der Kommandant eines Fragmentraumers. Einen Namen trug ich damals und trage ich fürderhin nicht.«
»Ich habe mit einem der Direktoren des MAK über dich geredet. Entspricht es den Tatsachen, dass du das MAK jederzeit und auf eigenen Wunsch verlassen kannst?«
»Einen Wunsch trage ich nicht in mir. Entsprechungen sind mir nicht bekannt.«
»Wir würden dir eine Gelegenheit bieten, an Bord eines Fragmentraumers zurückzukehren.«
»Ich würde eine Position innerhalb der Weltgedächtnisapotheke und der säkularen Pandemieverwaltung vorziehen. Das eine schließt das andere nicht aus, es sei denn im Falle des Gegenteils.«
Rhodan hörte Bughassidow seufzen.
Pech gehabt, dachte er.
»Wärest du so freundlich, uns deine Selbstdiagnose mitzuteilen?«, fragte Yonder. »Ich möchte wissen, ob du für den Dienst in einem Fragmentschiff taugst.«
»Alsdann«, sagte die sonore Stimme. »Darf ich dir ein Rätsel stellen?«
»Ja«, sagte Yonder.
»Wer reitet auf Rätseln in die wortlose Antwort?«
»Ich weiß es nicht«, bekannte Yonder.
»Das ist bedauerlich«, sagte die Stimme und stimmte eine Art Klagegesang an.
»Lassen wir es gut sein«, murmelte Rhodan.
Sie löschten
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