PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel
Benjameen. Er spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Er hätte sich keine herzlichere Willkommensgeste vorstellen können. Das Stickstoff-Sauer-
stoff-Gemisch, das Menschen atmeten, war für Maahks pures Gift. Benjameen fragte sich, ob er selbst zu einer vergleichbaren Geste bereit gewesen wäre, und antwortete mit einem klaren Nein. Allein der Gedanke daran, seine Kabine mit Wasserstoff, Methan und Ammoniak zu fluten, verursachte ihm Übelkeit.
»Ich hoffe, die Luft ist für dich verträglich.«
Benjameens Zeigefinger tippte auf ein Sensorfeld, und der Helm seines Schutzanzug fiel in sich zusammen und fuhr in den Kragen zurück. Er schnüffelte vorsichtig. Ein stechender Ammoniakgestank stieg ihm in die Nase. »Sie ist bestens.« Er trat in die Schleuse. »Vielen Dank.«
Er hatte sich schon öfter gefragt, wie Greks privater Bereich aussehen mochte. Sie hatten den Maahk vor einem Monat mehr tot als lebendig aus dem Vakuum gefischt, die Atemgasvorräte seines Raumanzugs waren nahezu erschöpft gewesen. Grek hatte mit Ausnahme seines Lasky Baty-Hemds - das er ausnahmsweise unter dem Schutzanzug tragen musste -keine persönlichen Gegenstände bei sich gehabt. Ob aus Mangel an Gelegenheit, oder weil Maahks die Vorstellung von persönlichem Besitz fremd war - das wusste keiner zu sagen.
Benjameen hatte unwillkürlich erwartet, dass Grek im Zug seiner Bemühungen, Gefühle zu entwickeln und zu verstehen, seine Kabine mit Tand aller Art voll gestopft hatte - was der Maahk tat, tat er für gewöhnlich zweihundertfünfzigprozentig -, doch er irrte sich. Der Raum wirkte unbewohnt. Sicher, die Formenergiemöbel hatten sich ihrem Benutzer angepasst und bogen sich in für Menschen höchst unbequemen Verwinklun-gen, die Gerätschaften, die er bei einem Seitenblick in das Hygieneabteil sah, erinnerten eher an die Instrumente eines primitiven Chirurgen als an Körperpflegeartikel, aber Benjameen konnte keine Anzeichen des Individuums Grek-665^ erkennen, keine kleinen Eigenheiten, verrutschte Möbel, persönlichen ...
Benjameen sah das Bild neben dem Bett und erstarrte.
Es war ein zweidimensionaler Folienabzug, ein anrührend primitives Medium, dessen altertümliche Ausstrahlung durch die Tatsache, dass es sich um eine Schwarzweißaufnahme handelte, nur noch gesteigert wurde. Es zeigte zwei Menschen, die einander anblickten. Ihre Schultern berührten sich leicht. Die Haare der Frau waren kurz und struppig, als fände sie nie die Zeit, sich um ihre Frisur zu kümmern. Das Leuchten in ihren Augen verriet, warum: Es gab noch zu viel zu tun, zu viele Wunder zu entdecken, als dass sie auch nur eine Sekunde auf Nebensächlichkeiten wie ihr Haar verschwenden wollte. Der Mann, sein Haar war lang und weiß und wurde im Nacken von einer Spange zusammen gehalten, erwiderte ihren Blick. Auf seinen Lippen spielte ein gelöstes Lächeln. Er wirkte unendlich glücklich.
»Woher hast du das?« Benjameens Rückenmuskeln hatten sich zu einem schmerzhaften Knoten verspannt.
»Stört es dich?«, fragte der Maahk. »Es stammt von der Brustkamera meines Raumanzugs. Sie hat es kurz nach meiner Ankunft auf der JOURNEE gemacht. Der Pikosyn zeichnet automatisch alles auf, was ich sehe. Auf diese Weise kann ich Dinge, die ich nicht auf Anhieb verstehe, später in Ruhe analysieren. Das hat mir sehr geholfen, euch zu verstehen.«
Benjameen sagte nichts. Er starrte auf das Bild und spürte, wie Tränen in seine Augenwinkel traten.
»Wenn es dich stört, kann ich es entfernen«, sagte Grek. »Ich wollte dich nicht verletzen. Ich dachte nur .«
»Nein, es stört mich nicht. Lass es, wo es ist.« Benjameen wollte noch etwas sagen, aber seine Zunge verweigerte ihm den Dienst. Dieses Wesen aus einem Volk, das angeblich keine Gefühle kannte, dieses Wesen, das sich zu einer Reise aufgemacht hatte, von der es keine Wiederkehr gab, das kein Maahk mehr war und niemals ein Mensch sein konnte, dieses Wesen glaubte an Tess und ihn. Und er, Benjameen da Jacinta, hatte bereits aufgegeben. Er spürte, wie die Knie unter ihm nachgaben.
»Willst du dich nicht setzen?« Grek zeigte auf einen neu entstandenen Formenergiesessel, der für einen menschlichen Körper ausgelegt war.
Benjameen nahm das Angebot dankbar an und ließ sich in das nachgiebige und zugleich straffe Material sinken. Grek setzte sich ihm gegenüber im Schneidersitz auf den Boden. Sein Kopf befand sich in Benjameens Augenhöhe. Der Arkonide versuchte, die Miene des Maahks zu lesen,
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