PR Ara-Toxin 01 - Die Galaktischen Mediziner
Neu-Tolimon eine einzige Giftküche dar. Und ich saß mitten in der Zentralverwaltung; zwar an untergeordneter Position, aber einige Stunden in einer gerade nicht genutzten Sektion abzuzwacken, dafür genügte meine Bevollmächtigung allemal. Außerdem wäre ich unter den Kollegen eher aufgefallen, wenn ich nicht so wie sie außerhalb der Dienstzeit eigene Süppchen gekocht hätte.
Xandjis Privatquartier gehörte zum selben Apartmentkomplex wie meines. Nachdem ich meine biochemischen Hausübungen gemacht hatte, wartete ich in der Lobby. Einige Stunden döste ich, in einer dunklen Nische an die Wand gelehnt. Dann kam die elfenhafte, vollkommen haarlose Schönheit daher, reichlich gezeichnet, keineswegs mehr so strahlend und kokett wie beim Antritt der Stelle. Vor dem Lift arrangierte ich einen zufällig erscheinenden Zusammenstoß. Der leichte Rempler brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht.
Hätte ich sie nicht aufgefangen, wäre sie umgefallen wie ein zerbrechlicher, ausgelaugter Zweig.
Sie erschrak sehr, dann erkannte sie mich. »Du bist...«
»Filgris, ja. Wir kamen mit dem selben Shuttle an.« Als sei mir die Situation peinlich, löste ich hastig die Umarmung und brachte einen Respektabstand zwischen uns. »Um Himmels willen, bitte verzeih, ich wollte nicht...«
»Keine Ursache.«
Ich hob das Täschchen vom Boden auf, das ihr entglitten war, und reichte es ihr. »Alles in Ordnung?«
»Ja, geht schon.« Das gequälte Lächeln strafte sie Lügen. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Ihre Hand zitterte, als sie das Täschchen entgegennahm. »Danke.«
Ich gähnte. »Musstest ebenfalls Überstunden machen, hm?«
»So kann man es ausdrücken.«
»Ospriuk Osk ist ein Schinder.« Das sagte ich beiläufig, als wolle ich mich über meine eigene Ausbeutung beklagen. Doch dann trafen sich unsere Blicke, und sie begriff, dass ich über sie und den Primär Bescheid wusste.
Nicht zum ersten Mal gereichte mir meine Unattraktivität zum Vorteil. Verglichen mit dem Schönheitsideal reinrassiger Aras bin ich viel zu korpulent und abscheulich behaart: gewiss keine Konkurrenz für jene feinen Leute, die sich über ihr gutes Aussehen definieren; sondern der harmlose Kumpeltyp, mit dem sich Mädchen wie Xandji ganz gern umgeben, der Kontrastwirkung wegen. »Entschuldige.« Der Lift war da, die Türen glitten auseinander. »Ich, ich... werde die Treppe nehmen. Schlaf gut!« Fluchtartig, wie peinlich berührt vom kurzen Moment der Intimität, ging ich davon. Damit stellte ich endgültig klar, dass ich ihr nicht auf die Pelle rücken würde. Mich musste sie nicht auf Distanz halten wie so viele andere, im Gegenteil. Es lag ganz an ihr, ob der Kontakt gleich wieder abriss.
»Filgris.« Kein Ruf, eher ein Hauch, und doch ein unüberhörbarer Hilfeschrei.
Ich blieb stehen, drehte mich langsam um, wischte mir müde über die Augen. Sagte nichts, sah sie nur mitleidig an.
»Sei ehrlich, Filgris. Verachtest du mich?«
»Wieso sollte ich?«
»Wegen ... dem, was ich tue.«
»Nein. Hättest du denn eine Wahl?«
Xandji ließ die Schultern sinken, ein verlorenes Kind, viel zu früh gealtert. Sie war kurz davor, alles aus ihr herausbrechen zu lassen.
Aber nicht hier. »Im vierzigsten Stockwerk gibt es einen kleinen Balkon, eher eine Plattform für die Roboter von der Fassadenreinigung. Dorthin verziehe ich mich in meiner Freizeit manchmal, wenn mir die Zimmerdecke auf den Kopf fällt. Ich mag die Aussicht.« Hätte ich mein oder ihr Apartment vorgeschlagen, wäre sie sofort wieder argwöhnisch geworden, und sie hätte sich mit dem Verweis auf ihr Schlafdefizit zurückgezogen. Es musste ein neutraler Platz sein, unbelastet, anonym; abgeschieden, jedoch öffentlich zugänglich und offen einsehbar, damit sie sich nicht in die Enge gedrängt oder gar eingesperrt fühlte. Ich hatte viel Sorgfalt darauf verwendet, eine geeignete Örtlichkeit auszukundschaften. »Es ist nicht sehr bequem, luxuriös oder romantisch, aber...«
Danach stand ihr ohnedies nicht der Sinn. Xandji war ebenso fremd in Hrom-Connan wie ich. Eine einzige Person hatte sie näher kennengelernt: ihren Peiniger. Sie hatte keine Vertrauten, keine Schulter zum Ausweinen. Lang hin und her zu überlegen, war sie zu erschöpft, und sie wollte die Gelegenheit, sich zu erleichtern, nicht verstreichen lassen.
Natürlich nahm sie meine Einladung an.
Den tatsächlich recht netten Blick auf die Straßenschluchten der Zentralkuppel missachtend, redete Xandji sich ihren Kummer von der
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