PR Ara-Toxin 03 - Nekrogenesis
und ihr die Kehle aufgeschlitzt, hast du eine perverse Fantasie, Comisario«, sagte sie bitter. »Ich habe Raol wirklich geliebt. Über das Körperliche hinaus war es eine enge Verbindung zweier Seelen. Der padre hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt, nicht wahr? Ich weiß, dass er solche Dinge über mich erzählt. Dass ich drogenabhängig bin und schwarze Magie praktiziere. Alles Unsinn!« Sie machte eine kleine Pause. »Du bist doch ein logisch denkender Polizist, Comisario. Wenn ich wirklich zu so etwas fähig wäre und die Petro-Geister beschwören könnte -würde ich mir dann nicht eine Puppe von Miguel y Gasset basteln und diesem aufgeblasenen Mistkerl eine Nadel ins Herz stechen?«
Ein guter Schlusssatz, dachte Garcia und deaktivierte das Aufzeichnungsmodul.
»Was hältst du von ihr?«, fragte Delgado neugierig, als sie die Kuppel verlassen hatten.
»Ich halte sie für eine Naturkatastrophe«, antwortete Garcia. »Obwohl sie gar nicht so aussieht, ist sie eine ernsthafte Gefahr für die Männerwelt. Vielleicht auch für die Frauenwelt. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich für beide Geschlechter interessiert. Nimm dich nur in Acht vor ihr.«
»Das musst du mir gerade sagen!«, protestierte Janita. »Ich habe die Blicke und die Anzüglichkeiten sehr wohl mitbekommen.«
Garcia lachte. »Ja, ich auch, aber ich bin dafür nicht empfänglich.«
»Wegen deiner Ex?«
»Quatsch. Ich habe dir doch gesagt, wie ich zu ihr stehe.«
»Generell nicht?«
»Generell doch. Es muss aber die Richtige sein. Rumela Gomez ist es jedenfalls nicht.« Er hatte nicht vor, mit Janita darüber zu diskutieren, wer es sein könnte, obwohl er da inzwischen schon eine ziemlich präzise Vorstellung hatte. Aber er war zu alt, um noch Utopien nachzujagen. Stattdessen sagte er: »Um auf Rumela Gomez zurückzukommen: Sie mag auf Sex aus sein, aber ich glaube nicht, dass sie uns belogen hat. Reden wir mit Marco Dochschué.«
Marco Dochschué wohnte nach Delgados Informationen im Gästehaus seines gremio . Es befand sich auf der mittleren Ebene der Hacienda. Sie stiegen eine der serpentinenartigen Treppen hinab. Manchmal begegneten ihnen Menschen, einige mit rußgeschwärzten Gesichtern, einige mit einem provisorischen Atemschutz aus Gaze vor Mund und Nase. Einige trugen Asbestanzüge und führten Flammenwerfer mit sich. Die meisten bedachten Delgado mit einem knappen Lächeln, einem Nicken oder Sprüchen wie »Na wie geht's, Janita?«, »Schlechter Tag, findest du nicht auch?« oder »Neuer Liebhaber, Janita?«, die Delgado freundlich beantwortete oder schlagfertig parierte.
Von der Treppe aus konnte man den nördlichen Teil der Siedlung überblicken. Garcia nahm an, dass in besseren Zeiten dichtes Grün die Treppe eingehüllt und jeden Ein- und Ausblick verwehrt hatte.
Die Seuche ist gar nicht schlimm, dachte er in düsterer Ironie. Sie erlaubt uns einen gewissen Weitblick.
Er sah die kahlen Äste der gigantes, breit genug, dass man sie auch als bequeme Pfade hätte benutzen können. Auf ihnen waren abgefaulte Reste einstiger Symbionten zu sehen. Auf vielen Ästen lagen die Kadaver von großen und kleinen Vögeln und Säugetieren, dazu unzählige halb verfaulte Schnecken, Riesenraupen, Flügel von Riesenschmetterlingen und leere Chitinpanzer von Riesenkäfern. Einige Vögel lebten noch, lagen aber zweifellos im Sterben, konnten sich mehr fliegen, krächzten und pfiffen panisch in Todesangst, flatterten kraftlos mit den Flügeln, versuchten dem Tod davonzuhüpfen. Oft nur auf einem Bein, weil das andere aus dem schon halb verfaulten Leib gebrochen war. Die Flucht war aussichtslos. Der Tod erwischte sie alle. Es stank nach Aas und Verwesung. Selbst die Äste der gigantes wiesen faule, halb flüssige Stellen auf, die wie Kloakentümpel aussahen und auch so stanken. Sie schienen sich immer tiefer in das Holz zu fressen. An manchen Stellen hatten sie bereits Krater gebildet, die wie Säurelöcher aussahen, von schmutzig-grauen Kristallen bedeckt. Selbst diese Kristallschicht, dieser widernatürliche anmutende Schorf, diese Baumkrätze, schien in gewisser Weise noch verwesungslebendig zu sein, sich tiefer zu fressen. Einige Stellen dampften, als würden von einer Säure unter Einwirkung anderer Substanzen giftige Stoffe an die Atmosphäre abgegeben. Der faulige und beißende Geruch, der von diesen Stellen herübergetragen wurde, überlagerte sogar den sonst allgegenwärtigen Verwesungsgeruch.
Dass es nicht gesund sein konnte, sich hier
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