PR Ara-Toxin 04 - Die Eiserne Karawane
stellte aber keine Veränderung der Biowerte fest, fand keinen Anhaltspunkt, ob und wie der Zustand des Aras medikamentös therapiert werden musste.
Endlich kam der Leib wieder zur Ruhe.
»Du hast etwas gesagt«, erinnerte Trantipon die Positronik.
»Ich habe vorgeschlagen, dich wärmer einzukleiden.«
»Gut.«
Die Positronik aktivierte die entsprechenden Funktionen in dem Gewebe, das sich nach seinem Einsatz als Fallschirm wieder in das Notfallpäckchen begeben hatte. Sie übermittelte dem Textil die Körpermaße des Aras und die Wärmeanforderungen seines Metabolismus.
Der fertige Anzug glitt aus dem Päckchen in die Hand Trantipons.
Bevor der Ara das Kleidungsstück überstreifte, entleerte er sich. Es hatte eine Weile gebraucht, bis er den Druck auf die Blase hatte deuten können. War er in seinem früheren Leben nicht in all dies eingeweiht gewesen? Nichts war mehr selbstverständlich, alles war neu.
Er hielt das Glied in der Hand, betrachtete den Urinstrahl, erinnerte sich an die andere Funktion, die dieses Organ noch erfüllen konnte - erfüllt hatte. Er rief ein paar sexuelle Memoiren auf, aber nichts tat sich.
Wozu auch?
Trantipon legte den Mantel an. Das neue Kleidungsstück überzog ihn ganz, korrigierte seinen Sitz geringfügig und ging, wo es opportun schien, eine Verbindung mit der unter ihm liegenden Bordkombination ein.
»Ich habe eine körperliche Irritation an dir registriert. Darf ich fragen, ob eine genauere Untersuchung mit dem medizinischen Notfallelement gewünscht wird?«
»Soweit ich den Körper spüre, leidet er nicht«, erklärte Trantipon. »Ich war in einer Art Gespräch. Ich hatte Kontakt.«
»Mit wem?«
»Das weiß ich nicht. Es war auch nur eine Region in mir, die angesprochen wurde.«
»Von wem?«
»Das weiß ich nicht. Es war auch keine Botschaft, sondern nur ein.« Er schwieg.
»Ja?«, fragte die Positronik nach.
»Ein Ruf.«
Die Erde bebte leicht, als einer der Vulkane in der Nähe krachend ausbrach. Die Positronik nahm wahr, dass der Ara anders, als sie es nach den ihr vorliegenden Verhaltensschemata für Humanoide erwartet hätte, zumal solchen arkonidischer Abstammung, sich nicht zur Quelle des Lärms umwandte. Er stand unbewegt da und schaute.
Sie zog ihre Schlüsse. »Du willst diesem Ruf folgen?«
Trantipon schwieg, dachte nach.
Längst war die Positronik zu der Überzeugung gelangt, dass die gängigen Muster, die ihr für das Verständnis von humanoiden Lebewesen eingegeben waren, bei Trantipon nur unzureichend halfen.
Ich werde ihn und seine biomentale Funktionsweise studieren müssen, entschied sie.
»Ob ich dem Ruf folgen will? In mir ist nichts, was will«, sagte er endlich. »Wir folgen dem Ruf, der will.« »Aber warum folgst du ihm, wenn du ihm nicht folgen willst?«
Wieder endlose Sekunden des Überlegens. Die Positronik gewann den Eindruck, dass sich der Ara zu seinen Aussagen, sogar zu den Gedanken, die er dann aussagte, quälen musste.
»Weil dieser Ruf so alt ist, dass er ein Recht auf Anhörung hat«, sagte er und ging los.
»Hast du dich entschieden, wie ich dich anreden soll?«
»Nenn mich Trantipon.«
Im Süden vor ihnen ragten Vulkankegel auf. Im Norden erstreckte sich eine Ebene aus grauschwarzem Basalt, der auf großen Flächen zu einzelnen Platten zersprungen war.
Im Westen stand eine Art Wald, ein organisch wirkendes Gemenge von hohen Pflanzen.
Fern im Osten stiegen auf breiter Linie dunkle Schwaden in die Luft, dichter Nebel oder Rauch.
Trantipon erinnerte sich, während des Absturzes rot glühende Flecken und Streifen gesehen zu haben, Lavaströme, vielleicht großflächige Feuer.
Und noch etwas anders. Es lag in der Dämmerung des Morgens. Zum ersten Mal gewahrte er ein Netzwerk hauchdünner, rötlichgoldener Linien, die, fein verwoben und miteinander verästelt, das Land umspannte, so weit er blicken konnte.
Seine Selbstlosigkeit, die Abwesenheit eines eigenen Willens irritierte ihn, und auch diese Irritation verstörte ihn. Wäre es besser gewesen, einen Eigenwillen zu haben? Gehörte ein eigener Wille dazu? Wozu?
Unter ihm schichteten sich Erinnerungen auf, Stränge, die sich zu Flözen sortierten; daneben mächtige, erratische Einzelstücke, die alle Schichten durchbrachen. Ein Berg, in dem ein Ich verborgen lag, zerlegt und zerfasert, eingefasst und konserviert von namenlosen, undurchlässigen, mentalen Substanzen.
Vielleicht wäre es hilfreich, dieses Ich zu rekonstruieren, seine Fragmente aus dem Gemenge zu
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