PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke
Leitungssysteme verliefen hier, es gab eine Vielzahl von Drucktanks und Messeinrichtungen. Die Arbeitskonsolen waren abgeschaltet, nur wenige Fluoreszenzplatten in den Wänden verbreiteten einen vagen Hauch von Helligkeit.
Medira tastete sich vorwärts. Irgendwo vor ihr tropfte Wasser. Es war ein steter, gleichmäßiger Klang und zudem eine deutliche Warnung. Falls nicht marode Dichtungen durchlässig geworden waren, hatte sich erst vor Kurzem jemand hier zu schaffen gemacht.
Manchmal kamen Jagdtrupps der Händler und durchsuchten Teilbereiche des Trümmerstegs. Wahrscheinlich immer dann, wenn sich jemand zu intensiv an eingelagerter Fracht vergriffen hatte. Medira war den Häschern stets entwischt, weil sie rechtzeitig auf sie aufmerksam wurde, aber sie hatte gesehen, wie die Springer und ihre Roboter mit den Gefangenen umsprangen.
Eine große Wasserlache bedeckte den Boden. Medira orientierte sich an dem nächsten Leitungsabschnitt, aber schon nach ein paar Schritten trat sie auf etwas Weiches. Zögernd, jeden Moment darauf gefasst, angegriffen zu werden, ließ sie sich in die Hocke nieder. Ihre tastenden Finger verkrallten sich in einem Kleidungsstück. Ein Overall, wie er meist von Schiffstechnikern getragen wurde. Das eigentlich schmutzabweisende Gewebe klebte vor Dreck. Außerdem stank es nach Schweiß und Ozon. Daneben lag etwas wie eine Kappe. Medira fühlte eine eigenartige Anspannung. Eine Schildmütze, stellte sie fest, eine Kopfbedeckung, die überwiegend von Terranern getragen wurde.
Hielt sich in der Nähe ein Terraner auf? Medira fieberte plötzlich der Begegnung mit einem Terraner entgegen, aber sie schreckte ebenso schnell davor zurück. Weil sie sich vor dem Moment fürchtete, in dem ein Mensch sich schreiend von ihr abwenden würde. Bislang waren es immer nur andere Wesen gewesen, darüber zerbrach sie sich nicht den Kopf. Aber ein Terraner? Es war besser, sie ließ es nicht darauf ankommen. Sie wollte nicht den letzten Rest Menschsein in sich zerstören, der ihr manchmal über die Einsamkeit hinweghalf.
Medira ertastete eine dünne Klinge neben dem Kleidungsstück. Und Haare. Dichtes, wolliges Haar. Jemand hatte sich offenbar den Kopf kahl geschoren und sich seiner Kleidung entledigt. Um nicht erkannt zu werden. Das war der einzige Grund, den Medira sich vorstellen konnte.
Wer immer in der Halle kurzzeitig Unterschlupf gesucht hatte, war von hier aus weitergegangen. Zu den Händlern in der Station?
Medira hatte sich in eine Nische zwischen den Rohrleitungen zurückgezogen. Immer noch beschäftigte sie der Gedanke, so unerwartet einem Terraner zu begegnen. Ob sie sich vorerst hier aufhielt oder in ihrem Versteck zwischen uralten Linearkonvertern, die sogar noch mit Folienbeschichtungen aus Hyperkristall ausgekleidet waren, spielte keine Rolle.
Ein jähes Poltern schreckte sie auf. Medira hob die Hände. Jemand hatte die Halle betreten; sie spürte den schwachen Energiefluss eines Scheinwerfers. Ein Mann oder eine Frau? Das konnte sie vorerst nicht erkennen. Sie hörte Schritte näher kommen, dann machte sich der Unbekannte an den Wasserrohren und wenig später am Wasser selbst zu schaffen.
In der Halle verweilen wollte er offenbar nicht, denn er wandte sich schon kurz darauf wieder dem Schott zu. Der Lichtkegel seiner Lampe huschte noch einmal zwischen den Rohrsystemen hindurch, streifte für Sekundenbruchteile Medira - und erlosch jäh.
Sie hatte die Stimme auch gehört. Auf dem außen vorbeiführenden schmalen Korridor, der eigentlich nur ein Wartungsgang sein konnte, weil er nicht einmal 20 Meter weiter blind endete, hatte je-mand halblaut geredet.
Der Terraner schien erstarrt zu sein. Medira glaubte, seine Anspannung fühlen zu können. Sie wusste nicht, ob die harte Strahlung nach dem Anschlag diese besondere Fähigkeit in ihr ausgelöst hatte, oder ob die Bemühungen der Aras damit zu tun hatten. Vielleicht beides. Oft genug hatte sie davon gehört, dass Menschen nach dem Verlust eines ihrer Sinne ihre Wahrnehmungsfähigkeit in einem anderen Bereich deutlich steigerten.
Sie wagte kaum noch zu atmen, weil sie fürchtete, in ihrem Versteck entdeckt zu werden. Der Mann, erkannte sie, hantierte wieder an den Rohren. Ein leises metallisches Schaben war zu vernehmen.
Nur Sekunden später flammte unter dem Schott ein lichtstarker Scheinwerfer auf. Medira registrierte, dass der Terraner herumfuhr.
»Du hast die Ware?«
Die Stimme gehörte einem Springer. Es fiel Medira nicht schwer,
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