PR Ara-Toxin 05 - Die Trümmerbrücke
Rücken an dem ausgeschlachteten Stahlgerippe entlang zu Boden sinken zu lassen. Der Schmerz war unerträglich. Medira verkrampfte sich, sie fürchtete, ersticken zu müssen.
... und dann war nichts mehr.
Ebenso abrupt erlangte sie das Bewusstsein zurück. Der Schmerz hatte nachgelassen, war aber noch nicht vollständig abgeklungen. Medira zögerte erst, dann tastete sie über ihr Bein. Der Oberschenkel war hart, ein deutlich größeres Stück als bisher schon. Wenn sie beide Hände nebeneinander legte, deckte sie das veränderte Gewebe gerade noch ab. Immer schneller weitete sich diese Erscheinung aus. Vor wenigen Tagen hatte sie an der linken Hüfte einen gerade erst fingernagelgroßen schwarzen Fleck entdeckt. So hatte es am Oberschenkel ebenfalls begonnen.
Mit beiden Händen zerrte sie den Magnetsaum ihrer Kombihose auf. Die Haut darunter war schwarz. Und unglaublich hart. Medira konnte das Gewebe nicht eindrücken. Wie Stein erschien es ihr. Oder, schlimmer noch, wie Stahl.
Sie versuchte, sich wieder aufzurichten, schaffte es erst im zweiten Anlauf und musste sich an der Aggregatwand abstützen. Nach einigen Minuten stand sie wieder sicher auf beiden Beinen.
Mit der Linken tastete sie über ihre Kombination, fand das kleine Terkonitmesser, das sie irgendwann in einem Lagerraum an sich genommen hatte, und wog es abschätzend in der Hand. Dann stieß Medira entschlossen zu. Sie schrie, weil der Stahl die schwarze Haut an ihrem Oberschenkel nicht einmal ritzte. Stattdessen wurde die Klinge in ihrer Faust zurückgeprellt und schnitt ihr die Finger auf.
Die Wunde blutete extrem stark, schloss sich aber rasch. Schon setzte die Narbenbildung ein.
Medira schlurfte weiter. Sie hatte sich vorgenommen, ihren künstlichen Menschen bald zu vollenden. Er mochte ein bizarr zusammengesetztes Gerippe sein, aber das war ihr letztlich egal. Sie brauchte einen Gefährten, bevor ihr Körper womöglich völlig erstarrte. Positronikelemente fehlten ihr noch. Nach diesen Systemteilen hatte sie in den Umschlaglagern suchen wollen, doch mittlerweile fürchtete sie, dass dieser Tag keineswegs günstig für sie war.
Starke Störfronten drangen von außerhalb des Trümmerstegs auf sie ein. Medira glaubte zu erkennen, dass große Frachter im Schutz von Prallschirmen angedockt hatten. Roboter und Lastenplattformen näherten sich.
Es mochte besser für sie sein, wenn sie sich zurückzog.
Medira humpelte durch das Labyrinth von Gängen, Rampen und Frachträumen, in dem sie sich längst mit Leichtigkeit zurechtfand. Sie kannte die hauptsächlich frequentierten Verbindungsstollen und wusste von Zwischendecken und Nischen, die womöglich niemand außer ihr kannte. Jedenfalls hatte sie dort nie Spuren von Händlern oder Robotern gefunden. Aber mitunter veränderten einzelne Räumlichkeiten ihr Aussehen, dann musste sie sich neu orientieren. Überhaupt war vieles nicht so leblos, wie es den Anschein hatte. Medira hatte in Zwischendecken Energiespeicher aufgespürt und in unzugänglichen Räumlichkeiten Maschinen entdeckt, mit denen sie wenig anzufangen wusste.
Nahezu im Zentrum des Trümmerstegs gab es sogar Bereiche eines Lebenserhaltungssystems, wie sie sonst nur an den Übergangsstellen zu den beiden Auslegern zu finden waren. Bis auf wenige Hundert Meter an die beiden Seitenpfannen hatte Medira sich schon vorgewagt, aber nie weiter.
Ohne bewusst darüber nachzudenken, hatte sie den Weg zu den Wasserleitungen eingeschlagen. Sie hatte keines der Gefäße bei sich, mit denen sie sonst Wasser abzapfte, aber sie war durstig. Bevor sie die Deckung einer der letzten Wandnischen verließ, sondierte sie nach allen Seiten.
An der Wasserversorgung fand sie immer wieder Hinweise darauf, dass sich in dem Trümmersteg viele andere Wesen verbargen. Nicht alle waren friedlich. Mehrmals war Medira schon angegriffen worden, und sie hatte sogar einen oder zwei Tage lang schwer verletzt hier gelegen, hatte sich vor Schmerzen gekrümmt und fremdartig anmutende Geschöpfe gesehen, die sie hilflos angestarrt hatten und wieder verschwunden waren. Keiner hatte ihr geholfen. Sie alle waren wohl Aussätzige, Gestrauchelte, Verfolgte, und jeder fürchtete um sein armseliges Leben und klammerte sich daran fest, als wäre
es immer noch das Wertvollste überhaupt.
Jetzt hielt sich niemand in der Nähe auf. Medira wuchtete den Schottflügel so weit zurück, dass sie sich in den Kontrollraum zwängen konnte. Die Anlage erstreckte sich über zwei Etagen. Ganze
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