PR Ara Toxin 6 Der Unlichtplanet
gehört haben? Da hättest du aber ganz schön viel Arbeit und würdest dir deinen Magen - oder was auch immer du da unter deiner faltigen Rinde hast - mächtig verderben.«
Samtscharfs Spleißgedärme verkrampften. Irgendwie war dieses große Geheimnis aufgedeckt worden. Wenn es die Tefroder wussten, wussten es auch die Springer, die Arkoniden, die Aras, die Naats. Und niemanden kümmerte es: Was waren die Weniggliedler nur für komische Lebewesen, dass sie gänzlich andere Wertigkeiten in ihrer Existenz setzten!
Er durfte auf keinen Fall hier bleiben. Er musste sich einen neuen Ort suchen, an dem er niemanden kannte und wo ihn niemand kannte. Dort erst durfte er geburtswurzeln. Die Schande hierzubleiben hätte schorfende Beißpilze in seinen Nervenbahnen wachsen lassen.
»Wie ist deine Inhaltsverzeichnung?«, fragte Samtscharf. Er musste sich von dem Schock erholen, seine Gedanken in unverfängliche Bahnen lenken und Zeit zum Überlegen gewinnen.
»Was meinst du mit: Inhaltsverzeichnung?«
»Das, was dich ausmacht, muss von deinem Gebärer sinnerklärend bestimmt worden sein. Ich zum Beispiel bin Samtscharf. Duftsumm, der mich wurzelte, schenkte mir diesen Begriff. Er meinte, dass die Schärfe meines Äußeren von der Wärme weichen Samts in meiner Seele überdeckt wird.«
»Das ist also so etwas Ähnliches wie ein Name.«
»Verzeih; ich vergaß, dass ihr Tefroder wenig Wert darauf legt, euch selbst zu erkennen. Wie ist also dein Name?«
»Semta.«
»Semta. Sehr schön. Hat das Wort irgendeine Bedeutung?«
»Meine Mutter hat gesagt, dass eine Kristallblume auf ihrem Heimatplaneten so heißt. Sie sei rot, tausendblättrig und würde von wunderschönen violetten Härchen umkränzt. Sie soll duften wie der Frühling; was auch immer der Frühling ist.«
»Du bist an Bord des Trümmerstegs gewurzelt, Semta?«
»Du meinst: geboren?« Neuerlich zog das Kleine die Kauleisten-Überdecker hoch. »Mann, hast du eine seltsame Sprache.«
»Wann bist du also geboren?«
»Vor elf Jahren. Und ja, es stimmt: Ich lebe seit meiner Geburt hier im Trümmersteg.«
»Wo befindet sich deine Mutter?«
Die Kauleisten verschwanden hinter den dicken, beweglichen Fleischlappen. »Ich war allein zu Hause, als ein Alarm ertönte. Mama war nicht da; sie musste arbeiten. Ich klopfte also bei einer Nachbarkabine nach der anderen und fragte, was ich tun sollte. Aber niemand kümmerte sich um mich. Die Nachbarn mögen mich nicht besonders, musst du wissen. Alle rannten an mir vorbei, schubsten mich umher, schrien wild durcheinander. Ein Wildfremder wollte mich packen und mitnehmen. Ich wehrte mich, wie es Mama mich gelehrt hatte.«
Semtas Worte wurden undeutlich. Die Stimmung des Kindes kippte. Die aufgesetzte Fröhlichkeit machte einer bitterblumigen Trauer Platz. Samtscharf roch winzige Mengen mineralienreicher Flüssigkeit, die aus den Sehwerkzeugen der Kleinen tropften.
»Plötzlich war alles ruhig«, fuhr Semta fort, nachdem sie sich beruhigt hatte. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Gänge waren leer. Ich hatte fürchterliche Angst. Also bin ich hierher gelaufen.« Semta streichelte über eine der Luftwurzeln ihres gemeinsamen Verstecks. »Hier habe ich immer gern gespielt. Mama meinte, im Park wäre es so ähnlich wie auf ihrem Planeten, auf den sie irgendwann mit mir zurückkehren wollte.«
Ein neuerlicher Stimmungswechsel. Das Kleine vergaß die Sorgen genauso rasch, wie sie gekommen waren. »Ich habe mich versteckt. Ich fühle mich zwischen all den Bäumen sicher und geborgen.«
»Das hast du gut gemacht, Semta.« Samtscharf zögerte. »Darf ich dir einen anderen Namen geben? Eine passende Inhaltsverzeichnung?«
Das Kind klatschte begeistert in die Hände. »Ja, das wäre toll? Wie willst du mich. inhaltsverzeichnen?«
»Lass mich mal überlegen. Hm, hm. Frechsicht? Nein. Zu ungenau, zu unpassend. Hm, hm. Stürmlieb? Nein. Das liegt zwar schon näher an deinem Wesen, ist aber immer noch zu unpräzise.«
Samtscharf streckte die Porenwurzeln tief in die Erde und atmete ein wenig Flüssigkeit ein. Er fühlte sich ausgezehrt. Die Kleinen nagten bereits an seiner Substanz. »Wie wäre es mit. Seidenkratz?«
»Seidenkratz?« Das Kind wackelte mit dem Kopf und schien zu überlegen. »Ja - das gefällt mir.«
»Das freut mich.«
»Und was machen wir jetzt, Samtscharf? Gehen wir meine Mami suchen?«
»Nicht sofort«, wich er einer direkten Antwort aus. »Zuerst müssen wir herausfinden, was hier eigentlich
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