PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
zuckten ihre Arme und Beine, und aus ihrem Inneren erklang ein geradezu archaisches Knarren.
Wieder und wieder schlug Saedelaere zu, bis auch das letzte Geräusch erstarb. Seine Versuche, den Puppenkörper gewaltsam zu öffnen, misslangen jedoch. Er würde nie erfahren, ob er einen Roboter oder etwas gänzlich anderes vor sich gehabt hatte.
Alaska glaubte ein spöttisches Kichern zu vernehmen. Doch als er herumfuhr, war niemand zu sehen.
Die folgenden Tage und Nächte erlebte er wie im Fiebertraum. Seine Angst davor, einzuschlafen, wuchs mit jeder Nacht. In seinen Träumen trachteten ihm gesichtslose Puppen nach dem Leben.
Die Tage waren noch quälender als die Nächte. Sie erschöpften sich in Monotonie, nachdem Alaska anfangs noch nach Essbarem in den Trümmern gewühlt hatte. Die verkohlten Schinken würden für etliche Wochen reichen, und klares Wasser stand ihm wieder zur Verfügung, nachdem er den Brunnen von Ruß und Asche gereinigt hatte.
Von den Puppen, die in ihre Stadt zurückgekehrt waren, sah und hörte er nichts mehr. Alaska war und blieb allein.
Genau das hatte er sich immer gewünscht.
Aber dieses Alleinsein gefiel ihm nicht.
Immer öfter ertappte er sich dabei, dass er seine Schritte in Richtung des Zeitbrunnens lenkte. Aber ebenso oft schreckte er vor der letzten Konsequenz zurück. Er wollte seine Einsamkeit nicht gegen die unerträgliche Gewissheit eintauschen, der letzte Mensch auf Terra zu sein.
Unaufhörlich kreisten seine Gedanken um das Schicksal von gut zwanzig Milliarden Terranern. Er fragte sich, ob die Katastrophe inzwischen stattgefunden hatte.
Die Einsamkeit trieb ihn letztlich in die Stadt hinab. Er riskierte es, von den Puppen attackiert zu werden, doch seine Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Sie lagen regungslos am Boden. Offensichtlich war ihre Existenz mit dem endgültigen Verschwinden Callibsos erloschen. Alaska half das nicht weiter. Lediglich jede Menge Baumaterial für eine neue Hütte stand ihm jetzt zur Verfügung. Er errichtete sie in der Nähe des Zeitbrunnens, zwischen zwei umgestürzten Steinriesen.
Die Tage wurden kürzer, und eines Morgens bedeckte Raureif die Felsen.
Anfangs bemerkte Saedelaere gar nicht, dass er sich zu verändern begann. Erst als er häufiger Selbstgespräche führte und sich dabei ertappte, dass er sinnlose Dinge verrichtete, nur um irgendetwas zu tun, fiel es ihm auf.
Er schaffte es nicht, seinem monotonen Tagesablauf eine sinnvolle Wende zugeben.
Oft setzte er sich auf eine der umgestürzten Statuen am Rande des Zeitbrunnens, verschränkte die Arme auf den Knien und starrte blicklos in die undurchdringlich scheinende Schwärze.
Als eines Morgens eine zentimeterhohe Schneeschicht das Land bedeckte, dicke Eiszapfen an den Statuen hingen und der Brunnen wie ein unglaublicher Anachronismus wirkte, wusste Alaska endgültig, dass er das Ende dieses Winters auf Derogwanien nicht erleben würde. Falls er diese Welt nicht bald verließ, würde er den Verstand verlieren.
Es gab nur einen Weg für ihn: Er musste sich dem Zeitbrunnen anvertrauen.
Vielleicht waren alle Befürchtungen ein schrecklicher Irrtum. Zwanzig Milliarden Menschen konnten nicht spurlos verschwinden. Alaska redete sich selbst Mut zu; er fürchtete sich vor der Wahrheit.
Das schneebedeckte Land wurde noch trostloser als zuvor.
Lange Zeit saß Alaska auf einem der Monolithen und starrte in den Brunnen. Vielleicht, sagte er sich, habe ich einen Fehler begangen, als ich den Anzug der Vernichtung zurückgab. Doch es war zu spät, sich darüber Gedanken zu machen.
Vergeblich hoffte er, dass Kytoma zu ihm kam. Oder dass Callibso zurückkehrte. Das waren Wunschvorstellungen, die sich nicht erfüllen würden.
Seine Hand verkrampfte sich um den Zellaktivator. Aber er brachte den Mut nicht auf, das metallene Ei in den Brunnen zu werfen. Heute hing er am Leben, das ihm nach dem Transmitterunfall so sinnlos erschienen war. Er hatte sich verändert, weiterentwickelt... aber war es nicht das Ziel allen Lebens, sich fortzuentwickeln?
Auf den ehemaligen Welten des Solaren Imperiums in der Milchstraße — und vielleicht auch im Mahlstrom — schrieb man den Dezember des Jahres 3581 n. Chr., als Alaska Saedelaere die Ungewissheit nicht länger ertrug. Einen Aufschrei auf den Lippen, sprang er in den Zeitbrunnen. Er sah nicht mehr, dass die Schwärze unmittelbar hinter ihm erlosch. Was blieb, war nackter Fels, der sich rasch mit einer dünnen Schneeschicht
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