PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
Ausbildung.
Nach knapp drei Minuten Flugzeit fiel die DESTINY in den Einsteinraum zurück. Bei einem Überlichtfaktor von zwei Millionen hatte die Space-Jet elf Lichtjahre überwunden, verglichen mit kosmischen Entfernungen wahrlich nur ein Katzensprung. Das Sternenmeer, Millionen mit bloßem Auge sichtbare winzige Lichtpunkte, hingestreut in die samtene Schwärze des Alls, schien unverändert. Lediglich eine Hand voll große Punkte waren vor Minuten noch nicht zu sehen gewesen.
»Erster Zielpunkt erreicht!«, rief der Pilot. »Wir stehen elf Komma dreivier Lichtjahre in gerader Fortführung des ursprünglichen Kurses der MARCO POLO. Die uns am nächsten stehende Sonne bei ... «, Kopetzky rief die entsprechenden Ortungsdaten ab, » ... bei vierundzwanzig Grad und einer Distanz von elf Lichtmonaten. Ein Stern vom G-Typ, wenig größer als Sol. Ich habe keinen Hinweis auf einen Roten Riesen im näheren Umkreis.«
»Danke«, klang es dumpf unter der Kunststoffmaske hervor. Ohne die Arme von den Lehnen zu nehmen, ließ Saedelaere sich zurücksinken.
Meldrassan beobachtete ihn. Vor dem Start der DESTINY war er zum ersten Mal persönlich mit dem Maskenträger zusammengetroffen. Saedelaere wirkte auf ihn unnahbar und fast ein wenig unheimlich. Was nicht zuletzt daran lag, dass der Transmittergeschädigte seiner Veränderungen wegen stets eine Abwehrhaltung einnahm. Es gehörte kein jahrelanges Psychologiestudium dazu, Alaska Saedelaeres innere Einsamkeit und Zerrissenheit zu erkennen.
Vivian DeBleue lächelte wissend. Auch sie beobachtete den Transmittergeschädigten; ihre schmale, scharfrückige Nase, die eng beieinander stehenden Augen und der momentan verkniffene Mund gaben ihr das Aussehen eines lauernden Raubvogels. Ein besserer Vergleich fiel Meldrassan nicht ein.
»Die nächste Etappe!«, bestimmte Saedelaere, bevor das beklemmende Schweigen in der kleinen Zentrale bedrohliche Züge annehmen konnte.
Die dritte Linearetappe, wie die vorangegangenen ebenfalls nur über eine geringe Entfernung, endete mit dem Aufheulen des Distanzalarms.
Alles ging wahnsinnig schnell. Eine grelle Lichtflut schlug über der DESTINY zusammen. Die schmerzhafte Helligkeit entstand im Paratronschirm.
Schutzfelder automatisch aktiviert, durchzuckte es den Galaktopsychologen. Von der ersten Lichtflut geblendet, nahm er nur noch Schemen wahr. Vor seinen Augen tanzten bunte Reflexe einen berauschenden Reigen.
Meldrassan hörte Stimmen, verstand aber nicht, was sie sagten. Im einen Moment waren sie endlos weit entfernt, im nächsten schienen sie ihm direkt ins Ohr zu brüllen. Sein Magen rebellierte; eine grässliche Hitze stieg in der Speiseröhre auf. Krampfhaft nach Atem ringend, verschluckte er sich fast am eigenen Speichel.
Im nächsten Moment wurde er herumgewirbelt. Die DESTINY überschlug sich in mehrere Richtungen gleichzeitig. Tief drückten ihn durchschlagende Beharrungskräfte in den Sessel. Sein Herz hämmerte gegen die Rippen, während ihm der Schweiß aus allen Poren quoll. Die Angst hielt Arnold Meldrassan in ihrem unbarmherzigen Griff.
Anhaltend gellte der Alarm durch die Polkuppel. In den Lärm mischte sich ein dumpfes Dröhnen.
Die DESTINY lag unter schwerem gegnerischen Feuer. Meldrassan konnte sich leider nur zu gut ausmalen, dass der Dreißig-Meter-Diskus mit seinem vergleichsweise schwachen Paratronschirm dem Angriff eines weit größeren Raumschiffs wenig entgegenzusetzen hatte. Auf Hilfe zu hoffen war Selbstbetrug; die MARCO POLO hatte den unterbroche-nen Flug zum Solsystem sofort nach dem Ausschleusen der Space-Jet fortgesetzt.
Meldrassan dachte an Hitchers Pearl, seine Heimatwelt, auf der Mitte November des vergangenen Jahres ein Pilzraumschiff der Schwarminstallateure niedergegangen war. Sich vorzustellen, was mit dem terranischen Siedlungsplaneten geschehen war, bedurfte es keiner ausschweifenden Phantasie. Ihn quälten Selbstvorwürfe, denn er hatte gleich zu Beginn der Verdummungswelle Hitchers Pearl beinahe fluchtartig mit einem Raumschiff voll Immuner verlassen. »Terra braucht uns«, hatte es geheißen. In Wirklichkeit hatten sie nur Zuflucht und Schutz im Solsystem gesucht und viel zu spät das Trügerische ihrer Hoffnungen erkannt. Aufweichen Wegen er dann an Bord der MARCO POLO gelangt war, wollte Arnold Meldrassan nicht mehr nachvollziehen. Mit monatelangem Abstand zu seiner Flucht sah er vieles in einem anderen Licht. Heute wäre er lieber für seine Heimat gestorben, als sie zu
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