Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

PR Lemuria 01 - Die Sternenarche

Titel: PR Lemuria 01 - Die Sternenarche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
Vom Netzwerk:
Opfer der Hatz sein würde: die Schwester des Verräters.
    Bruder und Schwester, das musste über die biologische Verwandtschaft hinaus nicht viel heißen. Viele Geschwister bekamen einander fast nie zu Gesicht, da das Schiff sie in weit entfernten Abschnitten zur Arbeit verpflichtete. Den meisten machten es auch nichts aus. Die Verbundenheit der täglich miteinander verrichteten Arbeit reichte viel tiefer als die zufällige biologische Nähe.
    Aber das Schiff wusste um Denetrees Vertrautheit mit Venron. Die Tenoy würden kommen und sie holen. Sie verhören oder Schlimmeres. Und Denetree war zu nüchtern, um sich Illusionen hinzugeben. Sie würde den Verhören nicht standhalten. Niemand würde ihr glauben, dass sie zwar von den Sternen träumte, aber nichts von den Plänen ihres Bruders geahnt hatte, sie mit eigenen Augen zu sehen. Vielleicht fand sie ja auch in sich eine unvermutete Stärke. Was hatte sie schon zu verlieren? Venron war tot. Etwas Schlimmeres konnte ihr ohnehin nicht zustoßen. Vielleicht widerstand sie den Verhören. Es würde keinen Unterschied machen. Der Naahk brauchte Schuldige. Er würde sich nicht von Feinheiten der Schuld oder Unschuld davon abhalten lassen, sie zu bekommen.
    Denetrees Leben war verwirkt. Ihres und das aller übrigen Ster-nensucher. Was für ein schöner Name. Sie hätte nie erwartet, dass er eines Tages für Tod und Verzweiflung stehen würde. Venron hatte ihn eines Tages ihrer Gruppe gegeben. Woher er ihn hatte, hatte sie nie erfahren. Venron hatte ihn nie als seinen eigenen Einfall ausgegeben.
    Es gab nur eine winzige Hoffnung für Denetree: das geheimnisvolle Geschenk, das ihr Bruder ihr vor drei Tagen gegeben hatte. Zu dieser Zeit musste Venron längst innerlich Abschied vom Schiff genommen haben. Bei dem Geschenk musste es sich um mehr handeln als an ein Andenken an den Bruder. Hoffte Denetree.
    Vor ihr schälte sich die Röhre eines Aufzugs aus der Nacht des Unterdecks. Die Kabine befand sich unten, ungewöhnlich für diese Zeit. Eigentlich sollte sich niemand mehr auf dem Außendeck aufhalten. Erwartete man sie bereits?
    Ein alter Mann saß in einer Ecke der Kabine auf einem einfachen Schemel. Als Denetree ihr Rad hineinschob, erhob er sich steif. Er musste sich dabei auf einen Stock stützen.
    »Spät geworden, was?« Er zwinkerte ihr zu.
    »Ja. ja.« Der alte Mann missdeutete offenbar ihr gerötetes Gesicht.
    »Macht nichts. Ist mir früher auch so gegangen.« Er zwinkerte ein zweites Mal und bewegte die Hüfte in einer grotesk ungelenken obszönen Geste vor und zurück.
    Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Quälend langsam. Der alte Mann war wieder auf seinem Schemel zusammengesunken und hielt die Augen geschlossen. Denetree glaubte sogar, ein leichtes Schnarchen zu hören.
    Früher, als Kinder, hatten sie und Venron sich einen Spaß daraus gemacht, die Fahrstuhlführer zu ärgern, sie mit Wasser zu bespritzen und wegzurennen oder im letzten Moment ein Stahlrohr zwischen die Führungsschienen zu werfen. Das Schiff setzte nur Alte auf diesen Posten ein, die in den Beinen und Köpfen zu langsam waren, um den Kindern gewachsen zu sein. Später, als Halbwüchsige, hatten sie sich darauf verlegt, über die Fahrstuhlführer herzuziehen. Sie waren perfekte wehrlose Opfer: Was hatten sie schon wirklich zu tun? In Notfällen, oder wenn sie einnickten, übernahm das Netz die Steuerung der Aufzüge zwischen den Decks, und das zügiger und zuver-lässiger. Die Alten waren doch nur unnötige Esser!
    Es war noch nicht lange her, dass Denetree das Kalkül des Schiffs verstanden hatte: Es wollte die Alten in die Gemeinschaft integrieren, indem es ihnen eine Aufgabe zuteilte, die sie nicht überforderte - und falls doch, fiel es nicht weiter ins Gewicht. Auf diese Weise waren die Alten unter Menschen, anstatt in ihren Hütten zu hocken und auf den Tod zu warten. Sie hatten ja sowieso keine Aussicht, das Ziel zu erreichen.
    Die Kabine stieg dem Mitteldeck entgegen. Mit jedem Meter, den sie sich der Mittelachse des Schiffs näherte, schmolz das physische Gewicht, das auf Denetree lastete. Als sie schließlich durch den mehrere Meter durchmessenden Boden des Mitteldecks glitt, betrug die Schwerkraft nur noch die Hälfte des Ausgangswerts.
    Neue Entschlossenheit stieg in Denetree auf. Sie würde nicht aufgeben. Sie schuldete es Venron. Ihrem Bruder und sich selbst. Sie musste zu ihrem Metach'ton. Dort hatte sie das Geschenk versteckt. Vielleicht hatte sie Glück, und die Tenoy waren

Weitere Kostenlose Bücher