PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
befürchte, dorthin habe ich ihn letztlich auch geschickt. Denn ich changierte instinktiv. Ich holte einen anderen seiner Art aus dem Multiversum zu mir, der meinen Wünschen gegenüber aufgeschlossen war und sich von mir beeinflussen ließ.«
Sollte Kakuta diesem Wahnsinnigen glauben? Eine derartige Macht, Menschen gegen Pendants aus Parallelebenen auszutauschen, erschien ihm unbegreiflich. Unwahrscheinlich.
Und wenn es denn stimmte: Erlaubte ihm seine Gabe etwa, instinktiv jene Pendants aus einem unendlich großen Matrizenpool auszuwählen, die Noir besonders gewogen waren?
»Ich nenne diese Austauschmenschen Silhouetten. Sie sind stets wie Rohformen, die sich leicht beherrschen lassen.«
»Haben Sie denn gar keine moralischen Bedenken bei dem, was Sie tun?«, fragte Ariane.
»Ich tauschte einen bestechlichen, nur auf seinen eigenen Vorteil bedachten Politiker gegen einen aus, der von da an alles unternahm, um den Ärmsten rings um Jaipur zu helfen. Meine Gewissensbisse hielten sich in Grenzen.«
»Was hat Sie dann hierher verschlagen, wenn Sie Ihre Manipulationen ursprünglich in Indien begannen?«
»Indien ist groß und unübersichtlich. Bangladesch ist zwar ebenfalls bevölkerungsreich; doch die Stadt Chittagong entpuppt sich als ideale Spielwiese für mein Vorhaben.«
»Sie spielen also mit den Menschen«, warf Kakuta ihm vor. »Sie setzen sie wie Schachfiguren ein. Wenn ihnen jemand nicht genehm ist, werfen Sie ihn weg und basteln sich einen neuen Bauern.«
»Diesen Vorwurf muss ich mir wohl gefallen lassen.« Noir lächelte und verbeugte sich. »Der Weg, den ich gehe, fordert Opfer.«
»Was ist Ihr Weg?«
»Ein anderer als der von Perry Rhodan. Sie als ehemaliger Verbündeter von Mister Monterny werden wissen, dass es nicht nur ein einziges Ziel gibt, das man sich in einer immer komplizierter werdenden Welt stecken kann, wenn man über Kräfte wie unsereiner verfügt.«
»Clifford Monterny hat das Falsche getan.«
»Das weiß ich. Ich habe mich über ihn schlaugemacht. Er wurde von niedrigen Beweggründen geleitet.«
»So wie Sie?«
André Noir betrachtete ihn, lange und nachdenklich, bevor er reagierte. »Sie enttäuschen mich, Mister Kakuta. Ich hatte gehofft, dass ...« Er winkte den schwebenden Tutgut herbei und nahm eine weitere Tasse Kaffee in Empfang. »Ich habe Sie nicht nur seit Ihrer Ankunft in Chittagong beobachten lassen. Ich war es, der dafür sorgte, dass Sie hierher gelangten.« Noir schlürfte genussvoll. »Sandhya war eine Erfindung von mir. Eine changierte Figur, die ich von irgendwoher besorgte, um Perry Rhodan und seine Gefolgsleute auf mich aufmerksam zu machen.«
»Das wäre auch wesentlich einfacher gegangen. Eine Nachricht per Pod an die Einlaufstelle des Stardust Towers hätte gereicht, und wir wären gekommen.«
»Ihr Sinn für Humor ist bemerkenswert, Mister Kakuta. Aber derartige Witzeleien sind entbehrlich.«
»Dann sagen Sie uns endlich, was Sie wollen, Monsieur Noir.«
»Erstens war es mir wichtig, meine Macht unter Beweis zu stellen. Ich bin drauf und dran, Chittagong zu erobern. Nicht um der Macht willen.« Er deutete rings um sich. »Das alles hier ist mir nicht wichtig. Doch ich werde dafür sorgen, dass die maßgebenden Herrschaften der Stadt, also Politiker, Wirtschaftsprofiteure, die Imame und die Intelligenzija, auf meiner Seite stehen.«
»Und wenn diese Leute nicht so tun, wie Sie es wollen, tauschen Sie sie aus. Gegen Silhouetten. Während diejenigen, die hierher gehören, irgendwo und irgendwann in einer Dunkelheit dahinvegetieren, wie ich es erleiden musste.«
»Ganz richtig. Das Glück vieler erfordert die Opfer einiger weniger.«
»Mir scheint, dass ich derartige Worte das eine oder andere Mal im Geschichtsunterricht gehört habe. Meist wurden sie von Despoten und Diktatoren verwendet.«
»Was liegt Ihnen daran, mich zu provozieren, Mister Kakuta?«
»Das kann ich Ihnen gerne sagen: Ich bin mit Ihren Methoden nicht einverstanden.«
Noir platzierte die Tasse vorsichtig auf der Oberkante des Tutguts. »Sie sind ein mutiger und ehrlicher Mann. Womöglich zu ehrlich für meinen Geschmack.« Er seufzte. »Doch kommen wir zurück zu meinem kleinen Utopia, das ich vorerst noch Free State of Chittagong nenne: Ich habe nur das Beste für die Leute hier im Sinn. Die Konsequenzen meines Tuns werden rasch und immer deutlicher zum Vorschein kommen. Bereits jetzt greifen einige meiner Ideen. Die Werften zahlen bessere Löhne, sie bieten soziale
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