PR NEO 0040 – Planet der Seelenfälscher
sich sitzen lassen, doch sie brachte kein Wort hervor. Ihre Wut war der Fassungslosigkeit gewichen. Wieso hätte sie außerdem widersprechen sollen? Schließlich sagte Gegul die Wahrheit: Sie hatte das Wort ihrer Geshur missachtet.
Der Klinikleiter lächelte erneut, aber ohne Freundlichkeit. Im Gegenteil glaubte Arga, eine Spur Herablassung zu erkennen. »Es wird Sie freuen«, fuhr er fort, »dass ich den anstehenden Auftrag als Ihre Bewährungsprobe ansehe.«
Endlich fand sie die Sprache wieder. »Ich werde die Bestrahlung erledigen. Natürlich beunruhigen mich die Risiken, aber ...«
»Ach was! So gefährlich ist die Behandlung nicht. Bestellen Sie nicht das Grab, bevor der Patient gestorben ist.«
»... aber ich werde herausfinden, für wen die Erpresser arbeiten.«
»Das bezweifle ich nicht. Und dabei bleibt es auch. Allerdings haben die Oberen der Geshur Ihren Auftrag ... nun, um eine Facette erweitert.«
»Das heißt?«
Gegul nahm den Spuszkrabbler hoch, hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn. »Die Signatur der Wesen ändert sich nicht einmal, wenn man ihnen elf Beine abschneidet. Nach dem zwölften sterben sie.« Er sah zu Arga und zerquetschte das Tier. »Die Individualsignatur von diesem Bakkro Cherz hat das Interesse der Geshur geweckt. Wir müssen sie untersuchen. Eingehender, als es ihm recht sein dürfte.«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie verstehen sehr gut, Tasla. Deshalb habe ich Ihnen Garr Sepron zugeteilt, dass er Sie im Auge behält.«
»Sie ... wollen, dass ich ...«
»Ich will gar nichts. Es handelt sich um eine Anweisung der Geshur. Die Klinik Himmelstor ist eine Sterbeklinik. Bei uns gehört der Tod zum Tagesgeschäft. Nirgends stirbt es sich unauffälliger.«
»Ich soll ...?«
»... dafür sorgen, dass die Erpresser die Behandlung nicht überleben.«
Die Individualsignatur erlischt nicht zwangsläufig
mit dem Tod des Körpers, der sie beherbergt.
Aus dem Codex der Aras, Fassung der Geshur Allamaj
6.
»Willkommen im Kerker der Geister!«
»Ich erkenne die Zusammenhänge.« Habe ich die Stimme von Karnus Sant jemals als samten angesehen? Was für eine Fehleinschätzung. Inzwischen bemerke ich das Gift, das aus ihr trieft. Süß, weich, aber tödlich. »Die Erpresser haben bemerkt, was Sie mit ihnen vorhaben, und flohen. Dabei kam es zu dem verheerenden Feuer und den Explosionen. Habe ich recht, meine Liebe?«
Gerne würde ich ihn in dem Glauben lassen, aber meine eigenen Worte hintergehen mich. »Nicht einmal ansatzweise.«
»Die Erpresser haben nichts geahnt?« Schweigen kehrt ein. Muss er über meine Antwort nachdenken? »Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie Geguls Mordbefehl hörten?«
Die Frage durchdringt mein Bewusstsein, ohne einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Wenn man so will, geht sie mir durch den Kopf – rückstandsfrei. In den Tiefen meines Verstands erkenne ich das Wortspiel, ohne es als besonders gelungen zu betrachten. Zusammenhanglose Bilder taumeln in meinem Gehirn umher. Der lächelnde Malrathur in der Abschiedshalle; die Aufnahmezeremonie der Geshur Allamaj; Geguls strahlendes Gesicht, als er mich in einer Zeit, in der er viel von mir hält, in die wahren Forschungskomplexe von Allamaj einweiht; die Puppe mit den herausnehmbaren Organen, mit der ich als Kind gespielt habe; wieder Malrathur, diesmal ohne zu lächeln, sondern mit der eindringlichen Mahnung: »Wir müssen es tun! Die Geshur hat so entscheiden.«
Alles wirbelt durcheinander, verschwimmt zu einem Brei. Das Gift in Sants Stimme entfaltet seine Wirkung. Von dem Druck um meinen Kopf spüre ich kaum noch etwas. Ich bin leicht, so leicht. Mein Geist breitet seine Flügel aus und will davonschweben.
Ich frage mich, ob ich mich geirrt habe. Ob es doch Seelen gibt. Ob die Individualsignatur mehr als eine fünfdimensional strahlende Energieform ist. Ich mache mir bewusst, dass es keine Rolle für mich spielt. Jetzt nicht mehr. Nicht nach dem, was geschehen ist.
Mein Geist steigt auf, zerfasert, driftet davon und ...
Flammen durchtosen meinen Körper und zwingen
(... meine Seele ...?)
mich zurück in diesen Kerker aus Fleisch, Blut und Schmerz. Dennoch fühlt es sich nicht so quälend an wie beim ersten Mal. Verlieren die Injektionen ihre Wirkung? Kann ich Karnus Sant auf diesem Weg entkommen, bevor ich ihm zu viel erzähle?
Beim nächsten Mal, rede ich mir ein. Beim nächsten Mal lässt du ihn hinter dir.
»Halten Sie noch ein bisschen aus, meine
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