PR NEO 0043 – Das Ende der Schläfer
gestehen, ich sei minderwertig und könne dem Wohltäter nicht so dienen, wie es ihm gebührte, aber sie hörte geduldig zu.
»Ich sagte dir ja, dass der Wohltäter seinem Auftrag mit jeder Faser verschworen ist. Du bist für ihn so lange von Relevanz, wie du diesem Auftrag dienst. Korian Lafesh Hurimun Skarrat hat es nicht geschafft, diese Relevanz herzustellen, aber das ist ausschließlich sein eigener Fehler. Ich glaube, dass er zu früh aufgab«, sagte sie schließlich. »Es ist möglich, dass du nur im Verbund mit anderen dein besonderes Potenzial zeigst. Denn auch ich glaube, du bist etwas Besonderes. Warum sonst hätte man dich auftauen sollen?«
Auftauen?
»Eine ganz einfache Schlussfolgerung. Du sprachst selbst von Kälte. Wenn es keine Metapher war, musst du zuvor eingefroren gewesen sein.«
Ich verstand sie nicht. Sie wirkte unsicher und nachdenklich. Aber sollte sie als Goldene denn nicht alles wissen?
»Pass auf: Wir fliegen demnächst ein neues Ziel an zu einer Operation, zu der wir alle Santor brauchen werden. Und bis es so weit ist, werden wir uns damit befassen, dein besonderes Talent zu entdecken. Einverstanden?«
Du selbst willst mir helfen? Du, eine Goldene?
Wieder lachte sie dieses wasserperlende, laute Lachen.
»Ich bin nicht sicher, ob es Grund zu Heiterkeit gibt!«, erklang da eine Stimme, die ich gut kannte.
»Ketar«, flüsterte die Goldene und sank auf ein Knie. »Ich wusste nicht, dass du …«
Der Wohltäter unterbrach sie: »Genau darin liegt das Problem. Kompetenzüberschreitung und Unwissen. Du hattest einen Auftrag, Abina! Stattdessen gräbst du Blumen aus und wieder ein! Kannst du mir das bitte erklären? Was kommt als Nächstes? Wirst du dich mit ihr unterhalten wie mit einem Gleichgestellten?«
Ich empfand den Ton des ehrenwerten Pranav Ketar, unseres Wohltäters, als unangenehm und nicht angemessen. Was hatte Cyra Abina ihm getan? Was hatte ich ihm getan, denn das Gespräch drehte sich ganz offenkundig um mich.
»Ich bin sicher, dass dieser Santor falsch ausgebildet wurde«, sagte die Goldene fest. »Gib mir etwas Zeit, und ich werde dir seinen Wert beweisen.«
»Du bist zu weich!«, herrschte Pranav Ketar sie an, als wären Paal'chck und ich gar nicht anwesend.
»Er stand allein vor der Watape« , verteidigte sie sich. »Sie hatten ihn allein zurückgelassen. Hätte ich ebenso herzlos sein sollen?«
»Er ist nur ein Projekt, unser GBSB-01, und wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen: Das Projekt ist gescheitert. Das gibt sogar Skarrat zu, der bekanntlich einer der stärksten Verfechter der Riofe-Rohn-Revitalisierung ist.«
Ich zuckte zusammen. Diesen Begriff hörte ich zum ersten Mal, aber er schien irgendetwas mit mir zu tun zu haben.
Riofe Rohn.
Ich musste herausbekommen, was sich dahinter verbarg. Aber zuerst interessierte mich dieser … Streit, der meinetwegen aufgeflammt war. Ich hätte mich gern zu Wort gemeldet, aber ich scheute davor zurück, einem Goldenen – und schon gar dem Wohltäter! – ins Wort zu fallen, geschweige denn ihm zu widersprechen. Also wartete ich ab und lauschte mit allen Sinnen dem, was Cyra Abina und Pranav Ketar einander sagten.
Dissonanzen zwischen Goldenen.
Wie konnte das sein? War es so, wie Cyra Abina es gesagt hatte – dass manchmal winzigste Unterschiede ausschlaggebend sein konnten? Oder hatte ich sie da falsch verstanden?
»Wir dürfen nicht aufgeben!«, sagte Cyra Abina.
Ketar nickte schwer. »Möge die helle Flamme unserer Begeisterung niemals zum Erlöschen kommen. So, wie sie einst emporstieg, muss sie auch immer wieder selbst zu den einfachen Leuten hinabsteigen, um dort ihre Wurzeln zu suchen und ihre Kraft zu finden.«
»Das sind doch Allgemeinplätze! Damit kommst du nicht weiter.«
»Du mit deinen Ausnahmen und individuellen Lösungen aber auch nicht! Wir haben einen Auftrag zu erfüllen! Nichts anderes zählt, und du hältst dich auf mit … Kleinigkeiten, verschwendest deine Kraft. Ich verbiete es dir!«
Er wurde immer lauter, zorniger. Ich verstand nicht, was in ihm vorging. Was genau machte ihn so wütend, dass er die Fassung verlor?
»Du hast mir nichts zu verbieten«, sagte sie kühl. »Das weißt du genau. Ich werde tun, was getan werden muss, um unser Ziel zu erreichen: den endgültigen Sieg über den Feind.«
In dieser Weise ging es eine Weile hin und her. Ich will dich nicht langweilen, Betty, und ich verstand auch nicht alles, obwohl ich mich heute ärgere, nicht besser aufgepasst zu haben.
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