PR NEO 0043 – Das Ende der Schläfer
eine ölige Substanz aus Lipiden und Carotinoiden, mittels derer die Pollenkörner an den Bestäubern anhaften oder sich untereinander zu größeren Konglomeraten vereinigen. Das Interessante, das Cyra Abina entdeckte, war der Umstand, dass sich in meinen Staubsäcken sehr unterschiedliche Pollenkörner fanden.
Sie untersuchte die Pollenkörner weiterer Santor und fand dabei heraus, dass alle anderen fünf Geschlechter nur jeweils genau eine Pollenform herstellten, die optisch eindeutig von jeder anderen zu unterscheiden war. Um einen neuen Santor auf biologischem Weg zu erzeugen, mussten genau fünf dieser Pollenkörner aufeinandertreffen, wobei vier unterschiedliche vorhanden sein mussten. Das doppelte Pollenkorn bestimmte dabei, welcher Aspekt sich in dem neuen Santor am ausgeprägtesten zeigte und welchem Geschlecht er deswegen angehörte.
Das erklärte zwar die natürliche Neigung der Santor zu Quintetten und den Grund für meine Ablehnung, allerdings war damit die Frage nach dem Sinn und Zweck meiner Pollenkörner nicht beantwortet. Wenn sie nicht zur Fortpflanzung dienten, wozu dann?
Cyra Abina nahm sich nun die Pollen im Einzelnen vor. Ihre Überraschung war groß, als sie entdeckte, dass die Pollen, die ich produzierte, keineswegs einen haploiden Chromosomensatz enthielten wie alle anderen bekannten Pollen, sondern neben jeder Menge Pollenkitt lediglich extrem kurze, aber ganz offenbar zusätzliche diploide Chromosomenanteile, die jeweils andere Bereiche der normalen Chromosomen überlagerten. Darüber hinaus fand sie Partikel, die sie nicht einordnen konnte, weil sie zerfielen, sobald sie sie zu analysieren versuchte. Aber sie schien einen Verdacht zu haben, denn sie griff häufig an ihren Kopfschmuck und flüsterte: »Wie Paratropfen …«
Und an diesem Punkt landeten die Untersuchungen vorläufig in einer Sackgasse. Als ich mich darüber beschwerte, tröstete sie mich: »Du setzt zu große Erwartungen in den ersten Schritt. Auch wenn wir kein Ergebnis vorliegen haben, sind wir ein gutes Stück weitergekommen. Wir wissen jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass der Schlüssel in den Pollen liegt! Als Nächstes werden wir einen Feldversuch machen müssen. Am besten gleich hier, ehe die WELTENSAAT Kaschla verlässt.«
Ich stimmte begeistert zu. Endlich! Endlich konnte ich wieder etwas tun und würde hoffentlich erfahren, wozu ich imstande war.
Aber zuvor hatten Paal'chck und ich noch etwas zu erledigen.
Und so warte ich am äußersten Rande der Zeit …
Sie schlief und wachte zugleich. Während der Schmerz sie durchbohrte und zusammenpresste, ihr Augenlicht nutzlos war und ihre Bewegungen erstorben, konnte sie diese Welt dennoch spüren mit all den Sinnen, die ihr geblieben waren.
Es war eine schöne Welt – so, wie jede Welt ihre Schönheit hatte. Ob malvenfarbene Blütenmeere, himmelhohe, eisgekrönte Gebirge, blauschwarze Meere, duftende, blühende Auen, orangefarbene Wolkenkavalkaden, Sonnenuntergänge, planetare Ringe, knisternde Gewitter, prickelnder Regen … Sie hatte so viele Welten gesehen, und die Erinnerung an jede davon brachte Schauder ewiger Schönheit zurück.
Und doch war Schönheit so vergänglich wie Sicherheit und so trügerisch wie Treue.
Treue … ein ephemerer Funken aus der ewigen Flamme, deren Licht die Allianz antrieb.
Sie hatte ihre Strafe verdient, aus seiner Sicht. Aber sie fühlte sich nicht schuldig, noch immer nicht.
Ich lebe nur in Erinnerungen, zwischen Hoffnung und Leid …
Sie konnte spüren, wie Wind aufkam.
Sie lauschte hinaus.
Der Wind brachte Neuigkeiten mit sich.
Jemand war gekommen von jenseits der Sterne.
Sie wartete, gefangen zwischen Schmerz und Hoffnung.
Auch diese Mission würde scheitern.
Niemand hatte sie gefunden.
Nie und für immer.
Was bleibt? Ich lebe in einem Traum ohne Anfang und Ende … Oh, möge er enden. Einfach nur enden.
9.
Phylior: Riofe Rohn
Unter dem Stichwort »Riofe Rohn« gab es nicht viele Informationen, aber diese führten uns auf interessante Verbindungen. Selbstverständlich war es Paal'chck, der die maßgebliche Spur fand, die Fährten innerhalb von Aufzeichnungen waren für mich nur schwer zu entdecken, meine Wahrnehmung war dafür einfach nicht gedacht. Die Spur führte uns zu einer Reihe von Berichten, die mich zutiefst beunruhigten.
Zum Glück vergessen wir Santor nicht so schnell wie die Tierischen. So, wie wir überdauern, indem wir teilweise absterben, so ballen und verdichten wir Informationen
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