PR NEO 0044 – Countdown für Siron
mehr aufhalten. Innerhalb des Wracks waren sie sicher – zumindest vor den eigenen Landsleuten.
Auf einmal war die Angst wieder da. Angech spürte die schleichende, lähmende Furcht, die sich von Beginn an in ihm eingenistet und ihn über die Monate hinweg begleitet hatte. Sie wussten so gut wie nichts über das Innere des Wracks. Was hatten die Wissenschaftler bislang dort gefunden? Ein maßgeblicher Grund für die aufgeheizte politische Lage auf Siron war der Umstand, dass jeder der großen Machtblöcke vermutete, der jeweils andere habe innerhalb des Raumers fortschrittliche Technologie entdeckt und plane nun, diese zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Die strenge Geheimhaltung und der daraus resultierende Informationsmangel hatten die Gerüchteküche zum Überkochen gebracht. Zwar hielten sich die meisten seriösen Medien zurück, doch es verging kein Tag, an dem nicht irgendeine Lokalzeitung, ein kleiner Radiosender oder eine unabhängige Fernsehstation abstruse Lügengeschichten und Halbwahrheiten zum Thema verbreiteten. Ein bekannter Buchautor behauptete sogar, die Regierung hätte Überlebende in Tiefschlafbehältern gefunden, aufgeweckt und würde diese nun in einem unterirdischen Bunker verhören. Die Beweise, die er für seine Hypothese vorlegte, waren hanebüchen und hielten selbst einer oberflächlichen Überprüfung nicht stand, doch das Buch war zum Bestseller geworden.
»Da vorn!«, riss Iessa den Sironer aus seinen Gedanken. Der Gang weitete sich. Auf der linken Seite tauchte ein schweres Stahlschott auf. Es war weit geöffnet. Zu sehen war niemand. »Unglaublich«, flüsterte sie. »Der Eingang ist nicht einmal bewacht.«
»Wozu auch?« Stynn zuckte die Schultern. »Wer es bis hierher geschafft hat, ist bereits durch zahllose Kontrollen gegangen. Eine mehr oder weniger würde keinen Unterschied machen.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass uns niemand aufgehalten hat.« Yoel hatte so leise gesprochen, dass nur Angech ihn verstehen konnte. »Diese Genehmigung, die du mit dir herumträgst ... Sie muss von einem ziemlich hohen Tier legitimiert worden sein.«
»Du weißt, was wir vorhaben«, gab Angech ebenso leise zurück. »Es gibt eine ganze Reihe mächtiger Frauen und Männer, die die Freidenker und ihre Ziele unterstützen.«
»Aber Namen wirst du mir nicht nennen, richtig?«, fragte Yoel.
»Nein.« Angech schüttelte den Kopf und lächelte. »Du musst mir schon vertrauen.«
»Wenn ich das nicht täte, wäre ich nicht hier«, sagte Yoel.
Angech Anatarawan nickte und schlug ihm freundschaftlich mit der Faust vor die Brust. Dann trat er an das Schott heran, schritt über dessen Schwelle und legte die flache Hand an die Wand des sich anschließenden Korridors. In seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Ehrfurcht und kindlicher Neugier.
»Zehntausend Jahre«, sagte er so laut, dass es alle hören konnten. »Vor zehntausend Jahren sind unsere Vorfahren mit diesem Schiff durch den Weltraum geflogen.« Er zog die Hand wieder zurück und blickte seine Gefährten einen nach dem anderen an. »Eines Tages ...«, fuhr er fort, »... werden auch die Sironer zu den Sternen reisen. Und nun kommt! Lasst uns den ersten Schritt auf dieser Reise tun!«
8.
»Wie geht es uns heute?«, fragte Santek. Stiqs Bahroff beobachtete den Ara genau. Da er keinerlei Anzeichen von Ironie in der Miene des Mediziners entdecken konnte, musste er davon ausgehen, dass dieser seine Frage ernst meinte.
»Wie es Ihnen geht, weiß ich nicht«, antwortete er trocken. » Mir geht es nicht anders als gestern.«
»Sehr gut, sehr gut.«
Warum war der Mann so nervös? Santek schien die prüfenden Blicke des Halbarkoniden zu bemerken, denn er straffte sich und setzte sein künstliches Lächeln auf. Er winkte Bahroff zu sich heran, doch als dieser sein Hemd aufknöpfen wollte, legte er ihm beide Hände auf den rechten Arm.
»Nicht jetzt«, flüsterte er. »Ich muss dringend mit Ihnen reden.« Bevor Bahroff etwas erwidern konnte, war Santek zum Eingangsschott des Labors geeilt und ließ die schweren Stahltore zufahren. Danach eilte er zu einem Arbeitspult und bediente mit fliegenden Fingern eine Servotastatur.
Bahroff fühlte sich plötzlich unwohl. »Was ...?«, setzte er an, wurde jedoch von dem Ara unterbrochen.
»Ich habe den Verschlusszustand eingeleitet«, sagte er. »Kontaminationsstufe 2. Freisetzung von chemisch oder biologisch aktivem Material.«
Stiqs Bahroff glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher