PR NEO 0045 – Mutanten in Not
Bei den geringsten Problemen sollte der Computer aktiv Kontakt mit dem Taucher aufnehmen, um ihm das Problem und die Problemlösungsoptionen zu präsentieren. So etwas gibt es doch längst, nicht wahr?«
»Natürlich. Aber man muss es auch benutzen. Unsere beiden Piratenprinzessinnen lehnten aus Prinzip jegliche Form von Computerüberwachung ab.«
»Ich weiß nicht.« Caroline konnte keines dieser Argumente entkräften; gleichwohl war sie weiterhin misstrauisch. »Wenn Fremdverschulden also auszuschließen ist ...«
»Definitiv.«
»Sollte man dann nicht ins Kalkül ziehen, dass es sich um Selbstmord gehandelt haben könnte?«
»Dieses Wort«, sagte der Kommissar leise und fast schon bedrohlich langsam, »werden Sie niemals aus meinem Mund hören. Ich bitte auch Sie, es im Zusammenhang mit dieser leidigen Affäre nicht mehr zu benutzen. Die Zwillinge haben genug Schande über ihre Familie gebracht, man muss es nicht noch schlimmer machen. Haben wir uns verstanden? Es war ein Unfall, aus, basta!«
Caroline entschuldigte sich und ging auf die Toilette. Ihre Handtasche nahm sie mit, wie Frauen dies nun mal tun.
Sie stellte die Tasche auf den Rand des Waschtischs, holte die mexikanische Schachtel heraus, hielt sie in beiden Händen und konzentrierte sich darauf, den kleinen Knochenmann erneut nach André Noirs Aufenthaltsort zu befragen. Da schob sich eine massige Gestalt herein: Kyriakides.
»Ups. Falsche Tür, Kollege.«
»Nein, ich glaube, ich bin schon richtig. Was haben wir denn da? Hä? Veranstaltest du hier so was wie Voodoo-Zauber?« Er grapschte nach dem Souvenir.
Sie versuchte auszuweichen, aber viel Platz war nicht. »Kommissar, hören Sie sofort auf, mich zu belästigen!«
Rüde drängte er sie an die Wand. »Ehrlich gesagt dachte ich, du ziehst dir rasch eine Linie peruanisches Marschierpulver durch die Nase. Da wollte ich mitnaschen. Aber das, das ist mindestens ebenso interessant. Sonderbeauftragte der TU, hm? Bist du eine von Adams' Psi-Hexen, über die man die unglaublichsten Gerüchte hört?«
»Kyriakides, seien Sie vernünftig, lassen Sie die Zudringlichkeiten.«
»Sonst verwandelst du mich in Stein, oder wie? Oh verdammt, ich glaube, es fängt an zu wirken. Da wird etwas schon ganz hart ...« Er brachte sein Gesicht so nahe an ihres, dass sie die Schnapsfahne roch. »Willst du mal fühlen, mein blondes Schätzchen?«
Innerlich fluchte Caroline. Sie hatte keine Sorge, sich notfalls ihrer Haut wehren zu können. Wenn sie ein Fach während ihrer Ausbildung niemals geschwänzt hatte, dann Nahkampftraining. Aber ihr graute vor den Verwicklungen, die daraus resultieren würden, wenn sie den Kommissar, der offiziell die Untersuchungen vor Ort leitete, am Damenklo k.o. schlug. Derlei fanden griechische Machos gar nicht lustig. Andererseits hatte es wohl wenig Sinn, weiter an seine Urteilskraft zu appellieren. Der Mann war ausreichend alkoholisiert, dass er sich unwiderstehlich dünkte. Wie kam sie bloß aus dieser Zwickmühle raus?
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Auf einmal schnappte Kyriakides nach Luft, griff sich an den Hals und sackte in die Knie. Caroline konnte gerade noch verhindern, dass sein Kopf ans Waschbecken knallte. Mit einem Arm fing sie ihn auf, doch dabei verlor sie, da er sehr schwer war, ihrerseits das Gleichgewicht; das Schächtelchen flutschte ihr aus der anderen Hand, fiel auf die Marmorfliesen und zerschellte.
»Hach, Lekoche!«, fauchte sie. »War das nötig?«
»Er wollte dir die Ehre rauben. Kein Krieger der Massai darf das zulassen.«
»Ich wäre schon allein mit ihm fertig geworden. Wie hast du ihn betäubt? Handkantenschlag gegen den Kehlkopf?« Sie ließ den schlaffen Körper des Kommissars zu Boden gleiten und untersuchte ihn. »Schwierig, so was richtig zu dosieren, und erst recht von hinten. Du hättest ihn umbringen können! Zum Glück atmet er momentan noch, aber es könnte nachträglich zu einem lebensbedrohlichen Anschwellen durch ein Ödem oder einen Bluterguss kommen. Wir dürfen ihn also nicht hier liegen lassen. Hilf mir! Nein, zuerst sammelst du die Scherben, Muscheln und den Rest von Noirs Mitbringsel auf. Fein säuberlich, hörst du? Leer einfach alles in meine Tasche!«
Kuntata, den sie nur als Schemen wahrnahm, befolgte eingeschüchtert Carolines Anweisungen. Dann hievten sie Kyriakides in die benachbarte Herrentoilette. »Und jetzt marsch zurück mit dir ins Auto! Ich bleibe bei diesem unseligen Hengst, bis er wieder zu sich kommt,
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