PR NEO 0045 – Mutanten in Not
Interesse ist. Kann ich das Schiff irgendwie einholen?«
Der Kommissar, ein fleischiger Mann mit kohlschwarzem Schnauzbart, ebensolchen Koteletten und einer vom Stirnband kaum gebändigten Mähne aus gekringelten Haarlocken, kräuselte die vollen Lippen. »Nicht vor dem Heimathafen. Das ist ein Schnellboot. Sehen Sie hier ein zweites oder einen Helikopter?« Die Frage war eine rhetorische.
»Per Auto ...?«
»Keine Chance.«
Carolines Gedanken rasten. Der Flughafen von Paphos lag nah am Meer. Dank seiner Fähigkeiten war André Noir wohl kaum auf Linienflüge angewiesen. Da sich entlang der Peripherie der Hafenstadt mehr Luxusvillen russischer Oligarchen befanden als im Umkreis von Moskau oder St. Petersburg, standen gewiss auch reichlich aufgetankte Privatjets bereit. Mit anderen Worten: Dieser Vogel würde ausgeflogen sein, ehe sie noch die Serpentinen bis hinauf zur Autobahn überwunden hätte.
»Wen verfolgen Sie eigentlich?«, fragte Kyriakides.
Sie beschrieb ihm ihre Zielperson.
»Ach, Andreas Maúros! Der hatte mit dem bedauerlichen Unfall nichts zu tun, das ist definitiv abgeklärt. Er saß hinten in der Taverne, als die beiden ihren fatalen Tauchgang unternahmen. Selten, dass man dermaßen exakt übereinstimmende Zeugenaussagen kriegt.« Der Kommissar blätterte in seinem Notizblock. »Sieben Stück, falls Sie's genau wissen wollen, Kollegin. Die Wirtin, zwei Kellner, der Koch – bei dem er sich über das lauwarme Mousakas beschwert hat – und eine dreiköpfige Familie aus Tschetschenien am Nebentisch. Ein besseres Alibi ist mir in dreißig Dienstjahren nicht untergekommen. Deshalb haben wir auch keine Einwände erhoben, als sich der Kommandant der Küstenwache erbot, ihn nach Paphos mitzunehmen.«
Caroline versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. »Sie klingen, als wüssten Sie mehr über ihn. Was verbindet diesen Andreas Maúros mit der Bucht von Lara?«
Kyriakides zwirbelte die Spitzen seines Schnauzbarts. »Wenn Sie sich noch so lange gedulden, bis meine Leute hier fertig sind, stehe ich Ihnen gern für Auskünfte und Hilfestellungen jeder Art zur Verfügung.«
Die Art, wie er sich danach über die Lippen leckte, löste in Caroline nicht unbedingt positive Assoziationen aus. Trotzdem fügte sie sich und nahm das Angebot an.
Was blieb ihr übrig?
Nichts hatte sich verändert im White Water Inn . An diesem Ort, in diesem Lokal, stand die Zeit still wie eh und je. Und draußen, vor der Zufahrt zur Halbinsel Akama, patrouillierte unruhig, argwöhnisch schnaubend ein Pferd, das mit Sicherheit Diana gerufen wurde.
»So.« Der Kommissar wuchtete seinen beleibten Körper in den Sessel gegenüber Caroline. »Erst mal einen Ouzo, auf die internationale Zusammenarbeit. Darf ich Sie einladen?«
»Ich muss noch fahren.«
Kyriakides lachte brüllend. »Ich vielleicht nicht? Also, wenn Sie sich weigern, mit mir einen Schnaps zu trinken, zwingen Sie mich, Ihren Ausweis durch sämtliche Datenbänke von Interpol verifizieren zu lassen. Dann sind Sie nämlich keine richtige Polizistin!«
»Einen kleinen«, lenkte Caroline ein. Typen wie diesen hatte sie zur Genüge kennengelernt. Ihnen eine Predigt über die Regeln korrekten Umgangs mit weiblichen Personen zu halten, war reine Zeitverschwendung. Besser, sie machte gute Miene zum abstoßenden Spiel. »Dieser Maúros. Was hatte er hier zu schaffen?«
»Andreas und die Zwillinge, Gott hab sie selig, sind uns früher mächtig auf die Nerven gegangen.«
»Wieso?«
»Wieso, wieso. Wegen der beschissenen Schildkröten. Und irgendwelcher anderen sinnlosen Tier- oder Pflanzenarten, die kein Mensch braucht. Störaktionen am laufenden Band. Dagegen konnte man ja mit der Stute noch geradezu vernünftig reden; wenn man eine Peitsche in der Hand hatte, hehe.«
»Moment. Gibt es nicht in Paphos einen Laden für Jagdausrüstung, der Kyriakides im Namen führt?«
»Das ist mein Bruder. Na und? Qualitätstourismus. Alles im Rahmen der Gesetze.«
»Okay. Andreas Maúros. Und die heute verstorbenen Zwillinge. Wie ...«
Ein Kellner stellte vier Gläser auf den Tisch, zwei kleine mit einer klaren, leicht schillernden Flüssigkeit und zwei größere mit Wasser. »Yamas!«
Der Kommissar goss einige Tropfen in das Schnapsglas, dessen Inhalt sich daraufhin milchig grau verfärbte. »Yamas!«
»Ich trinke lieber pur.« Caroline stieß mit ihrem Gegenüber an und nippte, während er den Ouzo hinunterstürzte. Sie spülte mit einem Schluck Wasser nach. »Im
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