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PR NEO 0045 – Mutanten in Not

PR NEO 0045 – Mutanten in Not

Titel: PR NEO 0045 – Mutanten in Not Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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kammermusikalisches Ensemble empor, ergänzt durch elektrische Gitarren, Synthesizer und Schlagzeug. Die Moderatorin kündigte einen Überraschungsgast an, nannte aber keinen Namen. Während einleitende Akkorde erklangen, wurde der Saal immer mehr abgedunkelt, bis ein einzelner Scheinwerferkegel übrig blieb, in dem ein sehr alter Mann lässig an einer Säule lehnte. Er sang mit brüchiger, jedoch sofort in ihren Bann ziehender Stimme: »Sterne schlafen niemals, ob tot oder lebendig ... Sie verbrennen dich mit ihrem strahlenden Lächeln, nehmen dich gefangen mit ihren schönen Augen ...«
    Die allermeisten Gäste erkannten den Sänger und jubelten ihm enthusiastisch zu. Ariane jedoch fragte: »Wer ist das?«
    »Kein Geringerer als Ziggy Stardust persönlich. Der Mann, der vom Himmel fiel.«
    »Hä? Nie gehört.«
    »David Bowie! Findest du nicht, dass er wahnsinnig toll aussieht für seine neunzig Jahre?«
    »Armer Kerl, wenn er in dem Alter noch arbeiten muss.«
    Rhino wollte korrigieren, dass Bowie als einer der reichsten Künstler dieser Epoche die Gage, die ihm das Bellagio Hotel zahlte, garantiert nicht nötig hatte. Aber er ließ es bleiben und fand sich damit ab, dass Arianes Generation wie jede vor ihr sich die eigenen Idole suchte und die Heroen ihrer Eltern entweder ablehnte oder einfach ignorierte.
    Die Musik war eingängig, zeitloser Rock. Rhinos Fingerspitzen klopften den Rhythmus des Riffs mit: Bububupuu, bububupuu ... Ein eigenartiger Duft zog an seiner Nase vorbei, scharf und bitter, eine Mischung aus Kampfer, Eukalyptus und Minze mit der beißenden Säure von konzentriertem Essig. Rhino fühlte sich belästigt davon, ja geradezu persönlich beleidigt. Anderen erging es ähnlich, denn in der Finsternis ringsum wurde heftig gezischt und halblaut geschimpft.
    Er spürte Arianes kalte Hand auf der seinen. »Ich ... muss raus«, keuchte sie. »Bevor sie mich ... Mir ist übel. Kann es nicht länger ... zurückhalten ...« Sie sprang auf. Einige Getränke umwerfend, stürzte sie zum Ausgang.
     
    Rhino wartete und wartete; vergeblich. Nach dem Auftritt des greisen David Bowie folgten Geflügel, Gemüsecurry, Salat und anstelle des Rindfleischgangs Steak von einem extraterrestrischen Tier, dessen Namen auszusprechen der jungen Filmdiva auch beim dritten Versuch misslang, sehr zum Gaudium des Publikums.
    Schließlich hielt es Rhino nicht mehr am Tisch. Er ließ das Hauptgericht, den programmierten Höhepunkt des Galadiners, unberührt stehen und verließ den Saal. Die Monitoren im Gang zeigten Vorberichte zum Rugby-Match Menschen gegen Naats, das in wenigen Stunden stattfinden würde und längst zum Sportereignis des Jahres stilisiert worden war.
    Aus der Damentoilette kamen zwei Frauen, deren Alter etwa in der Mitte zwischen Rhinos und Arianes lag. Mit ihren Stiletto-Stöckelschuhen hätte er keinen geraden Schritt zustande gebracht, geschweige denn solch laszive Hüftschwünge.
    »Ich bitte um Entschuldigung, verehrte Damen«, sagte Rhino. »Mir ist meine Begleiterin abhandengekommen, und ich mache mir Sorgen um sie. Haben Sie Mercedes vielleicht im, äh, Waschraum gesehen?« Er beschrieb ihr Äußeres.
    Die Frauen verneinten. »Jedenfalls nicht im Raum mit den Spiegeln. In einer der Kabinen könnte sie natürlich sein.«
    »Ich weiß, das klingt seltsam, aber ... haben Sie eventuell ungewöhnliche Gerüche wahrgenommen?«
    Sie kicherten. »Der Duft, guter Mann, der da drinnen als ungewöhnlich auffällt, muss erst noch erfunden werden.« Mit untergehängten Armen trippelten sie Richtung Speisesaal.
    Rhino rief Arianes Pod an und hörte kurz darauf, gedämpft durch die Klotür, ihren Signalton, das Baritonsaxofonsolo aus Girl From Ipanema . Aber sooft er Gerry Mulligan auch dudeln ließ, niemand hob ab.
    Nachdem nacheinander drei weitere aufgetakelte, frisch gepuderte Schönheiten herausgekommen waren, sah Rhino sich um, nahm seinen ganzen Mumm zusammen, öffnete die Tür zu den für männliche Wesen strengstens verbotenen Gemächern und schlüpfte hinein.
     
    Keine Frauen vor den Spiegeln und Waschbecken, keine spitzen Schreie, ergo – Lukullus sei Dank! – kein Skandal. Leider auch weiterhin keine Reaktion auf die einschmeichelnden Bossanovaklänge. Sie kamen aus der hintersten von sieben Kabinen.
    Rhino klopfte. »Mercedes? Ich bin's, Alexej. Kannst du mich hören?«
    Die Tür war verriegelt. Er kniete sich hin und brachte den Kopf so nahe zum Boden, dass er durch den etwa zehn Zentimeter hohen

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