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PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise

Titel: PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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dieses Nichtwissen auswirken konnte.
    Lakeside galt unter den Eingeweihten als verschworene Gemeinschaft sämtlicher Mitarbeiter – ein Zustand, der sich in diesen Minuten radikal änderte. Statt Vertrauen gab es nun eine Nacht-und-Nebel-Aktion.
    Nach der Arbeit der ferronischen Spezialisten während der letzten Monate hatte das Institut den Charakter eines Provisoriums fast völlig verloren. Es lag als grüner Teppich neben dem Goshun-Salzsee, nur durch diesen von Terrania getrennt. Eine Oase war so entstanden, ein Paradies.
    Mercant irritierte die Assoziation, die ihm bei diesem Gedanken unwillkürlich in den Sinn kam: Menschen, die aus dem Paradies auszogen ... Nicht gerade das typische Bild für den Weg in eine bessere Zukunft.
    Aber was, wenn diese ganze Aktion unnötig war?
    Wenn Haggard sich in seiner Einschätzung täuschte?
    Wenn Mercant mit der Evakuierung einen fatalen Fehler beging?
    Doch für derlei Zweifel war es längst zu spät. Es gab kein Zurück mehr.
    Die Gebäude duckten sich scheinbar zwischen die niedrigen Bäume und die wuchernden Büsche. Alle ähnelten einander. Zur Südseite hin bestanden die Wände aus großen Fensterflächen, um das Sonnenlicht einzufangen und dessen Energie und Wärme zu nutzen. Die dem Wind zugewandten Teile hingegen blieben fensterlos, um dem rauen Klima zu trotzen.
    Diese architektonische Besonderheit machte sich Mercants Evakuierungsplan zunutze. Wer immer am Haus der Mutanten vorbeimusste, eilte an der geschlossenen Seite vorüber. Das Sicherheitspersonal achtete darauf, dass alle diese Regel einhielten; nur die wenigsten wussten allerdings, warum das so eminent wichtig war.
    Eine Menge Ferronen flüchteten mit dem irdischen Personal aus dem Gelände des Instituts. Die blauhäutigen Außerirdischen wirkten in ihrer Gestalt wie meist untersetzte oder dickliche Menschen von der Erde.
    Die Evakuierung lief.
    Und lief.
    Je länger Mercant nachdachte, umso mehr musste er Iga zustimmen. Es war tatsächlich ein Wunder, dass bislang alles gut gegangen war.
    Allerdings galt dasselbe wie bei sämtlichen Dingen im Leben: Es gab eine Zeit für Wunder, und es gab eine Zeit, in der sie endeten.
    Und leider endeten sie meistens ein wenig zu früh.
     
    Ein Klacken riss ihn aus dem Schlaf.
    Tako Kakuta öffnete ruckartig die Augen. Es blieb dunkel im Zimmer. Der japanische Teleportermutant vermochte das schrecklich schwere Gewicht, das seine Lider mit Gewalt nach unten zog, nicht zu überwinden. Er drehte sich um und wollte weiterschlafen. Das Kopfkissen war weich und warm, und was immer gera...
    Wieder das Klacken.
    Diesmal war Kakuta wach genug, um es einordnen zu können. Ein Steinchen klatschte vom Parkgelände her gegen die Fensterfront. Das durfte doch nicht wahr sein! Warum erlaubte sich ausgerechnet in dieser Nacht irgendein Witzbold einen Spaß? Am letzten Abend war es mehr als spät geworden. Und um einen Spaß musste es sich wohl handeln, denn wenn ihm jemand etwas Wichtiges mitteilen wollte, könnte er ebenso gut die ...
    Klack!
    Tako Kakuta fluchte, wie er es nie in der Gegenwart eines anderen Menschen getan hätte. Aber zum Glück war er allein im Raum. Das war auch offenbar das einzige Glück, das ihm diese Nacht gönnte, denn zu allem Überfluss war die Erkältung, die ihn seit Tagen plagte, noch schlimmer geworden. Der Hals tat ihm weh, und als er die Beine aus dem Bett schwang und zur Fensterfront ging, fühlte er die Erschütterung jedes einzelnen Schrittes wie einen Hammerschlag in sämtlichen Zahnwurzeln.
    »Fenster frei«, wollte er sagen, doch was er hörte, war nur ein Krächzen, das wie »Ennerei« klang. Entsprechend reagierte auch die automatische Zimmersteuerung: nämlich gar nicht. Diese Laute waren nicht in den Spracherkennungssystemen verankert.
    In der nächsten Sekunde folgte kein Klack!, sondern das Klackerackackack einer ganzen Handvoll Steinchen.
    Er räusperte sich, schluckte einen Batzen Schleim und wiederholte, diesmal klar und deutlich: »Fenster frei.«
    Die abdunkelnde Färbung der Scheibe verflüchtigte sich binnen eines Atemzugs. Kakuta lebte in einer kleinen Wohnung im Erdgeschoss des Mutantenhauses von Lakeside; in einer der schöneren Einheiten, wie er fand. Die größte Seitenwand bestand aus einer Fensterfront. Sie bot, wenn die grelle Sonne nicht gerade alles andere überdeckte, einen herrlichen Blick auf den Rand des Parks, den die ferronischen Techniker und Biologen wie ein Wunderwerk auf das Institutsgelände gezaubert hatten.

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