PR NEO 0047 – Die Genesis-Krise
wollten?«, schrie Sid.
»Ich ...« Mercant brach ab, schüttelte den Kopf.
»Und Wuriu Sengu?«, fragte Sue, die sich weiter von Sid festhalten ließ, ohne dass die Berührung die Kälte vertrieb. »Was tun Sie mit ihm, jetzt, da er gefangen ist?«
»Wir halten ihn betäubt, damit er weder sich noch anderen etwas antun kann. Und dann sehen wir weiter«, antwortete Mercant. »Es gibt Hilfe für ihn und für Sie alle, Sue. Es gibt Hilfe.« Die letzten Worte wiederholte er noch einmal wie ein Mantra, als suche er daran Halt.
»Werden Sie uns auch jagen?«, fragte Sid.
»Alle Mutanten müssen unter den Schirm. Die Explosionen. Es ... es darf nicht außer Kontrolle geraten.«
»Es ist nicht nötig, dass Sie uns betäuben«, sagte Sue mit einer Stimme, die klang, als käme sie von einer ihr völlig fremden Frau. »Wir gehen freiwillig zurück.«
»Aber ich ...«
»Mister Mercant?«
»Sue?«
Sie deutete auf die schrecklich zugerichtete Leiche des Japaners, dessen gebrochene Augen blicklos in den Himmel starrten. »Es ist längst außer Kontrolle.«
Die achte Stimme:
Salzregen
Irgendwann, während des Infernos:
Ich halte den Stein in der Hand.
Den halben Stein.
Und ich schaue auf das Feuer und den Tod. Lakeside brennt. Und nicht nur das. Ein Teil des Goshun-Sees hinter mir verdampft. Dunst und Nebel wallen, und die Luft schmeckt nach Salz, das in dicken Körnern herabregnet.
Gestalten treten aus dem Nebel auf mich zu. Die erste ist schwarz, die übrigen nur verschwommene Konturen. »Du bringst uns hinein«, höre ich, und ich frage mich, wie ich das tun sollte, selbst wenn ich wollte.
Meine Finger krampfen sich um den halben Stein, der zerschnitten wurde, als sich der Schirm aufbaute. Die andere Hälfte lag im Inneren. Ein paar Zentimeter und doch unendlich weit entfernt.
Salzbrocken prasseln auf mich herab. Die Gestalten kommen näher.
Mein Name ist Iga Tulodzieky.
8.
Und was man fürchtet, tötet man
Java, 12. Mai 2037, 15.32 Uhr Ortszeit
Neonlichter der fernen Stadt Jakarta waberten in der dunstigen Hitze über dem Meer. Ras Tschubai starrte sie gedankenversunken an. Olf Stagge saß neben ihm, auf der anderen Seite Ailin, die Frau wie Glas. Kein Funken Feindseligkeit war mehr bei ihr zu spüren, ganz im Gegenteil. Sie hatte Vertrauen gefasst, und ihr war deutlich anzusehen, wie sehr sie sich nach Hilfe und Halt sehnte.
Tschubai fragte sich, ob er an ihrer Stelle an ein groß inszeniertes Schauspiel glauben würde, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen. Aber daran schien die Chinesin nicht einen Moment lang zu denken. Das Geschehen in der Zentrale des BIN hatte sie offenbar davon überzeugt, dass die beiden fremden Mutanten nicht ihre Feinde waren. Ein Angriff auf sie alle, eine gemeinsame Flucht ...
Und danach hatte Olf Stagge eine unfassbare Geschichte erzählt. Über sein Implantat klinkte sich der Norweger direkt in den Mutantenfunk ein, den offiziellen Funkkanal des Lakeside-Instituts, für dessen Empfang eine mehrfach verschlüsselte Zugangsgenehmigung nötig war. Von dort sendeten unablässig zwei junge Mutanten, die Hershell-Zwillinge, in einer von ihnen neu kodierten Frequenz. So verfolgte Stagge live mit, was sich dort abspielte. Und das gefiel ihm gar nicht, zumal sich einige Gruppen weltweit einklinkten und per Funk auch ihre Erlebnisse beisteuerten. Stagge und Tschubai bezweifelten zwar, dass Mercants Leute die Kodierung nicht schon längst geknackt hatten, aber daran vermochten sie nichts zu ändern, solange sie weit von Terrania entfernt waren.
Das Gesamtbild aus den vielen Einzelinformationen war niederschmetternd.
Lakeside lag unter einem Energieschirm gefangen, einer Quarantäne, angeblich wegen einer Krankheit, die sämtliche Parabegabten befiel. Wer zu fliehen versuchte, wurde überwältigt und in das Institut zurückgeschafft. Genau wie auf alle Mutantenteams, die wie Tschubai und Stagge als Mutantensucher unterwegs waren, der Zugriff befohlen worden war.
Deshalb also das einströmende Gas in der Zentrale des BIN. Nicht etwa der indonesische Geheimdienst hatte sie überwältigen wollen, sondern die Machthaber in Terrania, an ihrer Spitze Allan D. Mercant.
In Lakeside war darüber hinaus Tako Kakuta gestorben, was Tschubai immer noch schockierte. Die genauen Umstände kannten auch die Hershell-Zwillinge nicht, doch es kursierten Gerüchte unter der Kuppel, und keines davon klang gut.
Ras Tschubai nestelte unablässig an einem flachen, aus dem Wasser
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