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PR NEO 0051 – Lotsen der Sterne

PR NEO 0051 – Lotsen der Sterne

Titel: PR NEO 0051 – Lotsen der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry Haynaly
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Liege wieder an die Wand. Das graue Kabel verschmolz so mit dem Mauerwerk, dass nur ein geübter Beobachter es erkennen würde. En'Imh grinste, als er über die Steuerelemente strich, die nun vor ihm in der Luft schwebten. Che'Den würde sich noch wundern. Wenn alles gut ging, leuchtete in zwei Stunden sein Körper als dreidimensionales Element von den Werbetafeln der Stadt herunter – in Unterhosen und mit einem selten dämlichen Gesichtsausdruck.
    Zuletzt gab er die Startsequenz für das Fiktivspiel ein und lehnte sich zurück.
    Regel Nummer drei: Was war das noch mal?
    Die Gedanken flossen nur noch träge dahin. Dafür zog ihn die Illusion des Fiktivspiels tief in die Kunstwelt hinein.
    Die oberste Schicht der Liege schmiegte sich an seinen Körper, umfloss Nacken und Hinterkopf. Nanometergroße Sensoren dockten an seiner Kopfhaut an und verbanden sein Gehirn mit der Maschine und damit auch mit Milliarden anderer Bewusstseine, die wie er Teil des Netzes waren. Als endlich der Kontakt hergestellt war, stürmten die Eindrücke mit aller Macht auf ihn ein.
    Die Rückkopplung gebar erste Lichtpunkte, die unter der Zimmerdecke wie Glühwürmchen tanzten. Eine Welle der Euphorie schwappte hinaus ins Netz zu den anderen, die ihrerseits einen Teil ihrer Gedanken auf ihn zurückprojizierten. Jedes Gefühl kam als vielfaches Echo zurück, verstärkt von der Maschine und der Gemeinschaft.
    Er wusste, dass es so viele Möglichkeiten gab, Fiktivspiele zu spielen, wie sich Individuen im Netz bewegten. Was für den einen ein Strategiespiel war, in dem es ein möglichst großes Reich zu erobern galt, war für den anderen die Simulation einer riesigen Raumschlacht oder eines ganzen Planeten. Ein Fiktivspiel war alles und nichts davon, genauso wie die leuchtenden Punktwolken über den Spielern nur ein milder Abklatsch der Realität waren, die der Spieler selbst sah.
    Trotzdem waren alle Spieler im Netz vereint im ultimativen Ziel des Fiktivspiels: Die Ästhetik der Punkte, ihre Farben und Bewegungen lösten wahre Schauer von Oxytocin aus. Neben dem angenehmen Hautkontakt der Sensoren regten die stetig wechselnden Bilder in den neuronalen Netzen des Stammhirns die Ausschüttung des Neurotransmitters an.
    Das Erste, was En'Imh spürte, war, dass er ruhiger wurde. Die Amygdala regulierte seine Stresssymptome herunter. Die wohltuende Wärme des Memory-Schaums tat ihr Übriges, ihm Wohlgefühle zu bereiten. Das thermoplastische Material passte sich seinem Körper an, sodass er sanft hineinsank. Nur am Rande merkte er, wie die Mikropositronik der Liege Statusinformationen als Hologramm vor seinem Gesicht einblendete.
    »Blutdruck sinkt«, stand da in beruhigenden Blautönen.
    Die Punktwolke wuchs. Sie ähnelte inzwischen einer Galaxis, über deren Hauptebene zahlreiche Kugelsternhaufen ihre Bahn zogen – so wie Thantur-Lok über der Milchstraßenebene und Hela Ariela.
    En'Imh gab sich ganz seinem Lieblingsfiktivspiel hin: der Simulation des bekannten Universums. Dabei galt es, eins mit dem Kosmos zu werden, die Schwingungen aufzunehmen und sich in den Weiten des Alls zu verlieren. Er wusste, dass mit jeder Million Lichtjahren die Oxytocinproduktion in seinem Gehirn verdoppelt wurde – bis die Mikropositronik befand, dass er genug hatte, oder er vor Aufregung ohnmächtig wurde.
    Er verspürte Liebe, Ruhe und Vertrauen, und die Rückkopplung sorgte dafür, dass er sich von Abermillionen Händen gestreichelt fühlte. Die Wolke aus glühenden Punkten zog sich zu einer kleinen Balkenspirale zusammen. Als Ausgleich strömten vom Bildrand elliptische Galaxien und Spiralnebel in das entstehende Vakuum.
    En'Imh hielt den Atem an. Eine gigantische Welle des Glücks schwappte über ihm zusammen, schwemmte ihn hinweg aus diesem Dasein, ließ ihn auf der Gischt der Wellenkronen reiten, immer höher, immer ...
    Ein Misston drängte mit aller Macht in seine Wahrnehmung, eine Dissonanz in all der Harmonie. Etwas war anders als sonst, grausam anders!
    Mit einem Mal fror ihn. Die Weite des Abgrunds zwischen den Sterneninseln, die ihn sonst so gelockt hatte, wollte ihn nun verschlingen. Der Ausschnitt zwischen Liege und Zimmerdecke kam rasend schnell näher. Er stürzte darauf zu, mit einer Beschleunigung, die kein arkonidisches Schiff auch nur im Traum leisten konnte.
    Die Milchstraße raste auf ihn zu, verschlang ihn und spuckte ihn vor einer blauen Riesensonne aus. Hela Ariela, zuerst ein Punkt, ein Ball, bis sie schließlich das gesamte Zimmer

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