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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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durch eine breite Schneise im Berghang, aus dem mancherorts große türkisblaue Kristalle wie kahle Büsche sprossen. Dahinter tat sich ein malerisches Tal auf. Es war sehr viel fruchtbarer als der Canyon; ich sah Felder und Obstbäume, und in der Mitte des Tals lag ein kleines, von Fackeln erhelltes Städtchen mit spitzgiebligen Häusern, das im Licht der fünf Monde wie ein verzaubertes Märchendorf wirkte. Zwischen den Häusern reckten sich einige windschiefe Türme zum Himmel empor, und weiter hinten sah ich eine große Windmühle stehen.
    »Wir sind da!«, rief die Puppe, die uns in Empfang genommen hatte, und breitete in einer unbeholfenen Geste die Arme aus. »Willkommen in Derogwanien!«

13.
    Ihin da Achran
     
    »Wieder nichts«, sagte Nertan da Hindur enttäuscht, als die Orter ihre neuen Daten lieferten. »Falscher Alarm.«
    »Wir geben nicht auf«, sagte Ihin da Achran und warf einen Blick hinüber zu dem Hohen Lotsen, der sie jedoch ignorierte.
    Er stand inmitten der Zentrale, in einem Sturm aus Holos, die er schneller aufrief, manipulierte und schloss, als sie folgen konnte. Seine beiden Hände arbeiteten dabei unabhängig voneinander, und seine Augen waren starr geradeaus gerichtet, auf einen Punkt jenseits der Holos und seiner fliegenden Hände, als müsste er gar nicht sehen, was er da eigentlich tat. Manchmal hatte er die Augen sogar geschlossen.
    Nertan und die anderen Offiziere waren vollauf damit beschäftigt, seinen Kurskorrekturen Folge zu leisten, während die Rudergängerin vor allem den Überblick darüber zu behalten versuchte, was der Hohe Lotse da eigentlich tat. Auf lächerliche Art und Weise fühlte sie sich von der VAREK'ARK ausgeschlossen, als tuschelten er und ihr Schiff heimlich hinter ihrem Rücken.
    Ihin da Achran hasste es, mit Lotsen zusammenzuarbeiten, besonders mit diesem. In der Vergangenheit war sie immer froh gewesen, wenn sich der Lotse an Bord zurückhielt oder irgendwo in seiner Kabine oder seinem Ausguck saß und seine Arbeit tat, ohne irgendwen zu stören. Ein-, zweimal war sie kürzere Strecken im Korridor auch ohne Lotsen geflogen. Dienstlich gesehen war das eine ernste Verletzung der Vorschriften (und der mit dem Orden der Lotsen geschlossenen Verträge), doch jeder Rudergänger tat es irgendwann einmal. Entgegen den Behauptungen des Ordens waren die Khestan auch sehr gut allein in der Lage, einen Konvoi ein paarmal ohne nennenswerte Fehler geradeaus springen zu lassen, solange sie nur einen fixen Orientierungspunkt wie beispielsweise die Relaiskette hatten.
    Lotsen waren Sternensüchtige, Positronikflüsterer und meistens nicht ganz richtig im Kopf. Sie redeten mit Göttern und Maschinen, nannten anderen Leuten aber nicht einmal ihren echten Namen und verbargen sich unter ihren albernen Anzügen, die nur einen schmalen Streifen um die Augen frei ließen. Man konnte ihnen genauso wenig trauen wie den meisten Orden, Gilden und Ethnien, in die das jahrtausendealte Gefüge des Großen Imperiums mittlerweile zerfiel. Die Lotsen unterstanden dem Imperium und mussten sich ihm fügen, gleichzeitig aber hatten sie sich mit der Zeit eine weitreichende Autonomie erstritten. Ihin konnte sie nicht einfach übergehen, wollte sie keinen Konflikt riskieren, dessen Konsequenzen ihr langfristig über den Kopf wachsen mochten.
    Dennoch hätte sie unter normalen Umständen niemals gestattet, dass ein Lotse sich in ihrer Zentrale breitmachte und kraft seiner Privilegien die uralte Rollenverteilung durchsetzte, wie sie vielleicht einmal auf Segelschiffen existiert hatte, aber schon seit Ewigkeiten keine Anwendung mehr auf Raumschiffen fand, außer bei der Fahrt durch den Korridor: Der Lotse gab den Kurs vor, und der Rudergänger befolgte seine Befehle. Auch wenn Khestan in der Praxis meist gleichbedeutend mit »Kommandant« war, im Ernstfall war sie nach der Tradition doch weisungsgebunden.
    Der einzige Grund, weshalb sie sich dieser Zusammenarbeit fügte, war die Sicherheit ihrer Leute. Sie hatte den Besatzungsmitgliedern ihrer Schiffe ein Versprechen gegeben, als sie Teil des Trosses wurden, jedem Einzelnen: dass sie dem Licht von Kira Ariela folgen und Thantur-Lok sicher erreichen würden. Dieses Versprechen gedachte sie zu halten, und um das verschollene Schiff und seine Crew zu finden, war der Hohe Lotse ihre beste Chance.
    Er benutzte wohl ein unübliches Frequenzband der Hyperraumortung, das Kommandanten sonst fast nie verwendeten, da es fast nur aus Hintergrundrauschen bestand.

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