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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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hatten sich vom Schiff gelöst und einen langen Schweif dahinter gebildet, sodass es aussah, als zöge es eine Blutspur hinter sich her. Wenn man genau hinsah, konnte man die entwichene Atmosphäre erkennen, die das Schiff in eine feine, gefrorene Wolke hüllte.
    Sie dachte zurück an den Tag, als sie die ORESTOS das erste Mal gesehen hatte, im Orbit um Delawal XIII, wie sie ruhig über den Ringen schwebte. Die mattschwarze Verkleidung und die Behäbigkeit des Heckantriebs hatten es der Rudergängerin angetan; sie hatten dem Schiff die stoische Eleganz eines vorsintflutlichen Meeresbewohners verliehen.
    Wer immer dieses Schiff so zugerichtet hatte, er hatte es nicht nur zerstört – er hatte es gequält, mit ihm gespielt und es ausbluten lassen. Der Anblick entsetzte Ihin da Achran nicht nur; er beleidigte im selben Maße ihr Ehrgefühl als Khestan wie ihren Sinn für Ästhetik.
    »Bei Anetis«, flüsterte der Hohe Lotse. Er hatte die Arme sinken lassen und seine geisterhafte Zwiesprache mit der Positronik der VAREK'ARK beendet. Seine Augen in dem schmalen unbedeckten Bereich seines Gesichts waren weit aufgerissen. »Die Sternenteufel haben das Schiff erwischt! Sie haben ihre Klauen in sein Fleisch getrieben!«
    Die Rudergängerin fuhr aufgebracht herum. »Es reicht! Ich glaube weder an Ihre Götter noch an Ihre Dämonen!«
    »Und wie erklären Sie sich dann, was Sie sehen?«
    Kurze Zeit herrschte betretenes Schweigen in der Zentrale. Die Khestan musste ihre Leute nicht ansehen, um zu wissen, dass sie alle dasselbe dachten.
    »Im Moment noch gar nicht«, sagte sie eindringlich, die Stimme zu einem drohenden Flüstern gesenkt. »Aber sobald wir einen näheren Blick darauf geworfen haben, werden wir eine plausible Erklärung dafür finden. Reißen Sie sich gefälligst zusammen!«
    Sie stand auf und berührte Nertan da Hindur an der Schulter. Der ältere Mann schrak elektrisiert auf. »Nertan, was sagen die Sensoren? Gibt es da drüben noch Leben?«
    Fieberhaft überprüfte ihr Adjutant die Auswertung der verschiedenen Systeme.
    »Der hintere Bereich des Schiffes ist komplett evakuiert, keine Lebenserhaltung, keine Schwerkraft.« Er suchte weiter. »Der Bereich um die Messe und die Zentrale scheint noch intakt. Vermutlich haben die Sicherheitssysteme die Notschleusen geschlossen. Wenn jemand von der Besatzung am Leben ist, dann dort.«
    »Ruf sie!«
    Er gehorchte. »Keine Antwort. Nicht einmal eine Bestätigung der Positronik. Alle Systeme sind ausgefallen.«
    Ausgerechnet die ORESTOS, dachte die Rudergängerin. Was haben die verdammten She'Nerkh da drüben getrieben? Zu lange in den Hyperraum hinausgelauscht? Die falschen Gebete gesprochen ...? Unwillkürlich bedrängten sie die Bilder aus alten Raumfahrermärchen, von riesenhaften Kreaturen, die sich in der Nacht verbargen und nur darauf warteten, Schiffe mit sich in die Tiefe zu reißen. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf.
    »Nertan, du hast das Schiff. Gib gut darauf acht! Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert oder du länger als eine halbe Tonta nichts von uns hörst, setzt du ein unbemanntes Beiboot für uns aus und kehrst in Sprüngen von jeweils zehn Lichtjahren zur Relaiskette zurück. Du musst blind springen, aber die Positronik sollte in der Lage sein, ihre eigenen Schritte bis zur letzten Position mit Funkkontakt zurückzuverfolgen.«
    Nertan schluckte. Er wusste ebenso wie sie, dass das ein Glücksspiel war. »Du verlässt das Schiff?«
    »Stellen Sie ein Team zusammen!«, wies sie ihren Wissenschaftsoffizier an. »Und packen Sie uns auch ein paar Roboter mit ein!« Sie nickte dem Lotsen zu. »Sie kommen ebenfalls mit!«
    Er schaute sie mit großen Augen an. »Was versprechen Sie sich davon? Haben Sie nicht gehört? Da drüben wird niemand mehr leben!«
    Sie funkelte ihn an. »Da geht Ihre Selbstsicherheit dahin, was, Lotse? Lassen Sie sich eines gesagt sein: Das da ist mein Schiff, und ich gehe nicht eher, bis ich eine Antwort auf meine Fragen bekomme.«

14.
    Atlan
     
    Sie sperrten uns in ein Haus und stellten Wachen vor die Tür und vor das Fenster. Das Innere bot allen Komfort, den man sich wünschen konnte, wenngleich das Federbett zu klein war und die Decke ziemlich niedrig. Auf surreale Weise fühlte ich mich an ein typisch deutsches oder niederländisches Bauernhaus erinnert, sechzehntes oder siebzehntes Jahrhundert vielleicht: Ich habe solche Häuser erlebt ... am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges ... Ich schüttelte die Erinnerung ab. Wenn

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