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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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ich nicht achtgab, würde ich mich wieder darin verlieren. Ich musste jetzt aber bei Sinnen sein.
    Irritiert betrachtete ich das pittoreske Dorf und seine unheimlichen Bewohner. Es war warm, und der schwere, würzige Geruch des Tals drang durch die scheibenlosen Fenster. Die Sonne ging gerade über den üppigen Hängen auf und ließ die Monde zu fahlen, käsigen Scheiben verblassen. Es wirkte alles so ... unnatürlich. Nicht echt ... und dabei überraschend irdisch. Wie das Dorf der Munchkins in jenem hundert Jahre alten Film, Das zauberhafte Land. Ich fragte mich, ob es auch hier eine Smaragdstadt mit einem Zauberer gab, der dieses seltsame Land und seine kleinen Bewohner beherrschte.
    »Rico«, sagte ich mit einem Blick über die Schulter. Der Roboter saß am Küchentisch und mühte sich mit einem stumpfen Messer und einem Schleifstein ab. »Du bist mir ein paar Antworten schuldig.«
    »Dass wir hier enden, war nicht Teil des Plans«, murmelte er.
    »Wo ist ›hier‹?«
    »Derogwanien.«
    »Und wo liegt Derogwanien?«
    »Das tut nichts zur Sache. Derogwanien ist ein Ort von vielen innerhalb der Milchstraße.«
    Ich seufzte ungeduldig. Zum ersten Mal seit zehntausend Jahren hatte ich die Erde verlassen, aber irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. » Was ist Derogwanien? Nur dieses Tal? Ein ganzer Planet?«
    Er unterbrach seine Arbeit und schaute mich an, als störte ich ihn bei einer wichtigen Arbeit. »Ein Ort, an dem wir beide nichts zu suchen haben! Wir müssen mit aller Umsicht vorgehen, sonst sind wir verloren.« Er widmete sich wieder dem Messer.
    »Wer ist dieser Callibso, der bald eintreffen soll?«
    Einen Moment lang glaubte ich, ein nervöses Zucken seiner Lider wahrzunehmen, aber wahrscheinlich war das nur eine Täuschung. »Unser Feind. Er darf uns nicht zu Gesicht bekommen. Ihn werden wir nicht so leicht täuschen können.« Er prüfte die Klinge und wirkte zufrieden.
    Dann legte er seine linke Hand auf den Tisch, setzte das Messer über seinem kleinen Finger an und trennte ihn mit einer kräftigen Bewegung ab.
    »Was soll das?«, rief ich entsetzt. »Was machst du da?«
    Er legte den Finger beiseite und machte sich daran, mit dem Messer das lebende Gewebe vom Metall zu trennen. Es floss ein wenig Blut, aber bei Weitem nicht so viel wie bei einem Menschen.
    »Ich versuche etwas zu bauen, was uns bei unserer Flucht vielleicht helfen wird. Vertrau mir.«
    Ich wandte den Blick ab und sah wieder aus dem Fenster. Ich war in einem Dorf wahnsinniger Puppen gefangen, und mein einziger Verbündeter war eine davon.
    Die Erschöpfung des Kälteschlafs und der hastigen Flucht steckte mir noch in den Knochen, also legte ich mich eine Weile auf das winzige Bett, die Beine angewinkelt, die Hände auf dem Aktivator auf meiner Brust, und versuchte zu dösen. Die Seite, von der ich Rico auf dieser überstürzten Flucht kennengelernt hatte, gefiel mir nicht. Jahrtausendelang war er mein Gefährte gewesen. Natürlich hatte ihn immer auch ein Geheimnis umweht, aber ich war stets davon ausgegangen, dass dieses Geheimnis etwas mit der rätselhaften Macht zu tun hatte, die mir einst im Namen meiner geliebten Ziehschwester das Geschenk des ewigen Lebens gemacht hatte. Ich hatte Rico vertraut. Darauf gewartet, dass er mir das Rätsel eines Tages enthüllen würde.
    Im Moment traute ich Rico gerade noch genug, dass er mir nicht mit dem Messer an die Kehle gehen würde, während ich schlief. Und wenn er sich weiter so störrisch verhielt, würde ich allein versuchen, mir den Weg zurück zu dem Portal auf dem Vorsprung zu erkämpfen – wenn nötig mit Gewalt, auch gegen ihn.
    Ich schlief. Ungebändigt stürmten die Eindrücke der letzten Stunden und die Bilder der Vergangenheit auf mich ein, und einmal meinte ich, die Augen aufzuschlagen, wusste aber nicht, ob ich wachte oder träumte. Mir war heiß wie in einem Fiebertraum.
    Unbestimmte Zeit später schreckte ich auf, als eine der Puppen hereinkam. Mein Bett war völlig nass geschwitzt, aber mein Verstand war wieder klar. Auf ihren kleinen Händen trug die Puppe eine Schale mit großen roten Beeren, die sie uns auf den Tisch stellte. Ihr Mund war ein einziger, freundlicher Halbmond, die schwarzen Knopfaugen kalt, aber aufmerksam. Rico versteckte, woran immer er gerade arbeitete, hastig hinter dem Rücken.
    Die Puppe neigte den Kopf und betrachtete die Blutflecken auf dem Tisch. Dann richtete sie den starren Blick auf Rico, und die Augen wurden kleiner. Mein Gefährte

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