Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
Vom Netzwerk:
sah ein wenig blass aus.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie freundlich. »Soll ich dir einen Arzt schicken? Wir haben einen guten Arzt!«
    »Uns geht es gut«, wehrte ich ab, schwang die Beine auf den Boden und stand auf. Kurz wurde mir schwindlig, doch ich wollte keine Schwäche zeigen. Die Puppe ging mir kaum bis zur Brust und musste den Kopf heben, als ich mich vor ihr aufbaute. »Danke der Nachfrage. Ist Callibso schon da?«
    »Nein«, sagte die Puppe und warf die Arme hoch. »Aber er ist schon auf dem Weg. Nicht mehr lange, oh, nicht mehr lange!«
    Dann schubste sie die Schale auffordernd in Ricos Richtung, nickte uns fröhlich zu und ging wieder hinaus.
    »Ich dachte, wir müssten mit aller Umsicht vorgehen«, sagte ich leise, sobald sich die Tür wieder geschlossen hatte. Ich musste mich am Tisch festhalten, um nicht einzuknicken, doch ich war fest entschlossen, die Kontrolle über diese groteske Situation zu erlangen. Rico entspannte sich und legte das, was er versteckt hatte, zurück auf den Tisch. Mittlerweile war es deutlich größer als sein kleiner Finger. »Zeig mir deine Hand!«
    Er gehorchte. Er hatte sich regeneriert; alle Finger waren an ihrem Platz.
    »Wie viele Finger hast du dir abgeschnitten, während ich geschlafen habe?«
    Er ging nicht auf die Frage ein, sondern machte sich mit einer dünnen Nadel daran, die feinen Schaltkreise innerhalb des grotesken Geräts zu manipulieren. Es sah aus wie ein blutverkrusteter Seestern. »Damit können wir vielleicht die Steuerung des Transmitters umgehen.«
    »Du meinst das Portal, durch das wir gekommen sind?«
    »Ganz genau.«
    »Wieso sind wir überhaupt hergekommen, wenn dieser Ort oder sein Herrscher so gefährlich sind?«
    »Derogwanien war nicht unser Ziel!«, zischte er, als redete er mit einem begriffsstutzigen Kind. Dann schien er zu bemerken, dass er zu weit gegangen war, senkte demütig den Kopf und machte sich wieder an die Arbeit. »Man hat uns überlistet.«
    »Man«, wiederholte ich spöttisch. »Und du hast keine Idee, wer genau?«
    »Wahrscheinlich hat ES seine Finger im Spiel. Das sieht ihm ähnlich. Passt zu seiner Auffassung von Humor.«
    »Wer oder was ist ES?«
    Er tat, als hätte er die Frage nicht gehört. »Wichtig ist nur, dass wir von hier wegkommen.«
    »Und wohin? Was war unser Ziel?«
    »Eine ... gute Welt.«
    »Weshalb sind wir überhaupt geflohen?«
    Er biss die Lippen aufeinander und arbeitete weiter. Sein Androidenstarrsinn trieb mich noch zur Weißglut. Dem lebenden Gewebe seines Körpers aber war die Schwächung der fortwährenden Selbstverstümmelung deutlich anzusehen: Sein Gesicht war bleich, seine Lippen fleckig. Die starren, haselnussbraunen Augen wirkten fast so leblos wie die unserer Wächter. Ich hatte Pokerspieler erlebt, die am Ende der Nacht so ausgesehen hatten wie er – kurz bevor sie zusammenbrachen. Vielleicht war dies meine Gelegenheit.
    »Wer bist du, Rico?«, fragte ich.
    »Dein Diener natürlich.«
    »Du solltest etwas essen, Rico.«
    Er sah verwirrt von seiner Arbeit auf. »Was?«
    Ich griff mir eine der großen Beeren und biss vorsichtig hinein. Sie erinnerte von der Konsistenz an eine Pflaume, war aber deutlich süßer. Ein wahrer Heißhunger packte mich bei dem Geschmack, und mir fiel auf, dass ich seit meinem Erwachen noch nichts gegessen hatte. Kein Wunder, dass ich mich so entkräftet fühlte. Auch der Aktivator war da keine große Hilfe.
    »Sie schmecken ausgezeichnet«, sagte ich mit vollem Mund. »Du solltest eine probieren. Das Regenerieren muss dich viel Kraft gekostet haben.«
    »Ich brauche diese Nahrung nicht«, widersprach er. »Ich könnte ebenso gut diesen Löffel verwerten, wenn es nötig ist, oder den Schmutz auf dem Boden.«
    Ich verzog das Gesicht. »Ich dachte, du wolltest keinen Verdacht erregen. Du solltest wirklich anfangen, nicht nur wie ein Mensch auszusehen, sondern dich auch wie einer zu benehmen.«
    »Ich bin kein Mensch.«
    »Wie ein lebendes Wesen«, korrigierte ich. »Und das bist du wenigstens zum Teil. Also mach eine Pause und iss etwas.« Ich warf ihm eine Beere zu. Er fing sie und hielt sie zögernd vors Gesicht. »Na los!«
    Unwillig legte er sein Werkzeug weg und biss hinein. Der Saft spritzte heraus und bekleckerte seine Brust. Ich musste lachen. Außer sich vor Wut, schlug er die Beere auf den Tisch, wobei sie platzte. Zugleich versuchte er, sich den Saft vom Hemd zu wischen, doch natürlich machte er alles nur noch schlimmer dadurch. Auf groteske Weise

Weitere Kostenlose Bücher