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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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erinnerte er mich an eine Katze, die sich vor Wasser ekelte und doch ein nasses Fell bekam. Ich lachte immer lauter.
    »Verdammt!«, schrie Rico. »Verdammt!«
    Im nächsten Moment gab es Getrappel, und zwei Puppen stürmten herein, eine mit einem Knüppel, die andere mit einem Gewehr. Beide machten sie große Augen bei der Szene, die sich ihnen bot. Das völlig verschmierte Gerät ließ Rico gerade noch in der Tasche verschwinden.
    »Mein Freund hatte ein Missgeschick«, beschwichtigte ich. »Könnten wir vielleicht eine Schüssel mit Wasser und Seife haben?«
    Die Puppen schauten einander an, dann senkten sie ihre Waffen, zeigten mit dem Finger auf Rico und lachten ebenfalls.
    In diesem Moment war ich felsenfest davon überzeugt, dass er sich auf sie stürzen und sie mit bloßen Händen in Stücke reißen würde, doch sie stolperten schon wieder hinaus und kamen kurz darauf mit einem Zuber und einem Waschbrett zurück. Sie stellten beides vor uns ab und ließen uns allein, wobei sie immer noch ein abgehacktes Kichern von sich gaben.
    Ich klopfte Rico aufmunternd auf die Schulter. »Na los, zieh es aus!«
    Er zögerte.
    »Was ist? Sag bitte nicht, dass das Hemd auch ein Teil von dir ist.«
    »Nein«, grollte er. »Es ist ein gewöhnliches Hemd.«
    »Dann zieh es aus und wasch es!«
    Apathisch kleidete er sich aus. Seine Brust war bleich, haarlos und völlig ebenmäßig, keine Leberflecken, keine Muttermale. Die Brustwarzen waren nur glatte, rosige Kreise, der Nabel eine flache Mulde. Mit mechanischen Bewegungen tauchte er das Hemd in das Seifenwasser und rieb es über das Brett.
    »Du hast noch nie etwas von Hand gewaschen.«
    »Nein, Herr.«
    »Vor wem sind wir aus der Kuppel geflohen?«
    Er hielt inne. Ich konnte seine Muskeln zittern sehen, und diesmal war es sicher keine Täuschung.
    »Du solltest mich nicht demütigen, Herr«, flüsterte er.
    Man hätte diese Worte als den gefühllosen Rat eines Roboters auffassen können oder die Bitte eines Dieners, der vor einer unlösbaren Aufgabe stand. Doch ich erkannte sie als das, was sie waren: eine Warnung. Eher noch eine Drohung. Ich ließ sie eine Weile im Raum stehen, dann hob ich eine Braue und wandte mich ab, während Rico wieder zu schrubben anfing. Er hatte meine Frage nicht beantwortet, mir dafür aber eine andere Antwort gegeben, die vielleicht noch wichtiger war.
    Eine Stunde später kamen die Wachen, um das Waschwasser abzuholen. Ich hatte das Bedürfnis, mich zu erleichtern, und sie reagierten, als hätte ich ihnen ein neues Spiel vorgeschlagen. Sie eskortierten mich mit der gleichen kindlichen Begeisterung hinters Haus, mit der sie uns auch das Essen und den Zuber gebracht hatten. Wahrscheinlich, überlegte ich, würden sie uns genauso freudestrahlend erschießen, wenn wir ihnen Anlass dazu boten. Mittlerweile war es wieder Abend, und drei der enormen Monde rollten über den Horizont, himmlischen Ungetümen gleich.
    Später lag ich wieder auf meinem Bett und lauschte auf das Zirpen von Grillen und das gelegentliche Trappeln kleiner Füße vor dem Haus. Rico hatte sein nasses Hemd an einen Deckenbalken gehängt und saß reglos mit nacktem Oberkörper am Tisch, während es im Mondschein trocknete. Die Vorstellung, dass er so die ganze Nacht dort sitzen würde, während ich schlief, war mir nicht geheuer.
    Ich fragte mich, wie häufig er genauso neben meiner Tiefschlafliege gesessen hatte, während ich Abschied von einem Jahrzehnt, einem Jahrhundert genommen und davon geträumt hatte, was mich als Nächstes erwarten würde.
    Ich war schon beinahe eingeschlafen, als er auf einmal leise das Wort an mich richtete. »Hast du dich je gefragt, weshalb du auf der Erde gestrandet bist?«
    Ich wusste erst nicht, was ich darauf erwidern sollte, denn die Antworten darauf waren ebenso vielfältig wie offensichtlich. Weil du mich aus Atlantis fortgelockt hast. Weil die Methans genau diesen Zeitpunkt zum Angriff wählten. Meine Soldaten starben alle. Ich kam zu spät und habe überlebt. Lebe bis heute.
    »Ich hatte Glück«, murmelte ich. »Oder Pech, je nachdem, wie man es sieht.«
    Rico gab ein eigenartiges Geräusch im Halbdunkel von sich. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er gelacht hatte.
    »Glück und Pech sind irrationale Begriffe ohne Bedeutung. Wieso bist du nicht einfach wieder weggeflogen, nachdem die Kolonie vernichtet worden war?«
    Ich verstand die Frage nicht. »Ich war gestrandet.«
    »Ich wiederhole: Wieso bist du nicht einfach wieder

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