PR NEO 0055 – Planet der Stürme
verstärkten Teile über den Schlüsselbeinen und riss daran.
Die Pflanze hielt Ageare fest.
»Ich helfe dir!« Julef packte mit an. Er musste sich dicht an Tineriaan drängen, eine Nähe, die die meisten Arkoniden gemieden hätten.
Gemeinsam zogen sie Ageare aus der Umklammerung, bis Tineriaan den leblosen Körper auf den Armen hielt.
Tineriaan flog ein Stück fort, legte Ageare behutsam auf einer dicken Moosbank ab und prüfte die Vitalwerte an ihrem Handgelenk über das Multifunktionsgerät. Einen bangen Moment wollte sein zweiter Magen den dritten verschlingen. Dann überkam ihn Erleichterung wie eine warme Sanddusche.
»Sie lebt. Eine Ohnmacht. Alles okay. Keine schwereren Verletzungen.«
»Anetis sei Dank. Nimm ihr den Helm ab!«
Tineriaan gehorchte.
Ageare blinzelte und sah ihn an. »Habt ... ihr sie?«
Erst da sah Tineriaan das Netz, das Ageare an einer Metallöse ihres Anzugs am Bein gesichert hatte.
»Nein. Wir haben dich. Das ging vor. Manchmal muss man auch Aras fangen.«
»Sehr lustig, Tineriaan. Aber Aras sind nicht das, was Charron zum Entzücken bringt.«
»Vergiss Charron. Wie fühlst du dich?«
»Wie eine Diskusscheibe.« Ageare setzte sich heftig atmend auf. »Ich hatte Glück. Eine Kopfschmerztablette wird reichen, dann bin ich wieder obenauf.«
Im Netz zuckte es. Ageare berührte eine Metallfläche am Ende des Fangseils und öffnete die Öse. Der Zugverschluss weitete sich schlagartig. Nacheinander erhoben sich die drei gefangenen Xirdor in die Luft, flogen in zuckenden Etappen nach oben und suchten sich die nächste Windböe, auf der sie entkommen konnten.
»Was tun Sie denn da?« Julef klang entsetzt. Sein Gesicht verfärbte sich lachsrot. Er wirkte außer sich wie jemand, den man persönlich angegriffen hatte. »Sie haben Ihr Leben riskiert, um diese Tiere zu fangen, und nun lassen Sie sie frei?«
»Wir brauchen das ganze Rudel. Was sollen wir mit drei Tieren? Ich habe doch gesagt, wir wollen keinen Xirdor töten.«
»Aber Sie hätten die anderen Tiere noch fangen können!«
»Unmöglich. Ich weiß, wie die Xirdor reagieren. Diese Umgebung ist für sie nicht mehr sicher. Sie werden nicht zurückkehren. Sollen wir Hunderte von Kilometern nach den passenden Xirdor absuchen? Wir müssten unzählige Tiere betäuben, und Sie haben gesehen, wie schwer sich die Tiere betäuben lassen, oder? Nein. Wir müssen ein anderes Rudel finden, das zusammen agiert. Außerdem gibt es ein zweites Problem, das uns von einer schnellen Verfolgung abhält. Mein Fluganzug streikt. Irgendetwas ist durch die Quetschung kaputtgegangen. Vermutlich im Aggregat. Hat ziemlich übel geknackt, und das Display ist ausgefallen. Leider habe ich nicht das passende Werkzeug, um ihn zu zerlegen und nachzusehen, was beschädigt ist.«
Julef hob beide Schultern an. »Wir sind im Nirgendwo. Wollen Sie zurück in die Stadt?«
»Nein.« Ageare kam auf die Füße und baute über das Holo eine Umgebungskarte auf. Mitten im dreidimensionalen Bild schwebten leere Stellen, die noch von keiner Optik erfasst worden waren. Sie zoomte auf einen bestimmten Bereich. »Ganz in der Nähe gibt es eine Farm. Sicher finde ich da das nötige Werkzeug. Fahren Sie uns dahin.«
»Das Anwesen von Epherem da Kirtol ...« Julef hob unschlüssig die Hand und ließ sie in der Luft verharren. »Er hat keinen guten Ruf. Ein Eigenbrötler. Lässt sich kaum in der Stadt blicken.«
»Soweit ich weiß, gilt auf Thersunt das Ghanthor. Ein Gastrecht, nach dem wir uns mindestens für eine Nacht dort einquartieren dürfen, solange wir eine kleine Entschädigung zahlen.«
»Das ist richtig. Auf Thersunt ist es ungeschriebenes und unverbrüchliches Gesetz, dass man einander hilft. Anders ist das Überleben auf der Marginalwelt unmöglich, besonders im Hinterland.« Julef sah unglücklich aus. »Wollen Sie wirklich dahin?«
Ageare lächelte. Es war ein Lächeln, das Tineriaan inzwischen gut kannte und das anzeigte, dass seine Teampartnerin genau das erreicht hatte, was sie wollte. »Unbedingt.«
10.
Mitternachtsmahl
Die Monde standen am Nachthimmel. Zwei ungleiche Scheiben, strahlend wie Wegweiser, die dahintreibende Wolken immer wieder zu Teilen verdeckten.
Epherem da Kirtol parkte den Wagen nah am Hauptgebäude, anstatt in die Garagenkuppel zu fahren. Er stieg aus. Vor ihm breiteten sich die Staudenfelder aus, blauviolett, flüsternd im Wind, der zu dieser Tonta lau war und zärtlich durch die Pflanzenteppiche strich.
Das Ergebnis
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