PR Odyssee 01 - Die Kolonisten der Zukunft
Gedanken überschlugen sich. Dyke hatte ihn nicht gesehen, und das konnte eigentlich nur eines bedeuten: Das Gerät, das er aktiviert in der Hand hielt, war ein Deflektor. Anerkennend schnalzte er mit der Zunge. Deflektoren gehörten nie zur Standardausstattung eines Hotelzimmers, sonst wäre ihm früher vieles leichter gefallen.
Jemand hatte das Gerät gezielt deponiert!
»Das Fenster aufhellen!«, sagte Pratton.
Unvermittelt fielen die Sonnenstrahlen ungehindert durch die Scheiben.
Der Translator funktionierte. Er war also auf Interkosmo programmiert.
»Die Tambu haben das für uns deponiert«, murmelte Pratton Allgame im Selbstgespräch. »Diese komischen Vögel müssen geahnt haben, was geschehen würde.«
Er begann, gezielt zu suchen. Es war wie eine Sucht, die nach ihm griff, und er wurde fündig.
Nahezu alle Unterkünfte hatten eine Verbindungstür zu einer zweiten. Fran Imith hatte das schon während ihrer kurzen Überprüfung bemerkt und als positiv vermerkt. Auf diese Weise blieb keiner allein. Ihnen allen steckte der Schock noch in den Knochen - erst die jähe Versetzung, dann der Angriff auf den Ordensturm, das Wissen um den Tod der anderen Passagiere und die Erkenntnis, dass man selbst dem nur durch eine Verkettung von Zufällen entronnen war.
Eine Milliarde Jahre, eine schwer vorstellbare Zahl. Entweder man arrangierte sich damit oder man zerbrach daran. Und arrangieren bedeutete eigentlich nichts anderes, als diesen ungeheuren Wert zu ignorieren, so zu tun, als geschehe alles einfach morgen. Und vor allem irgendwo, nur nicht im heimischen Sonnensystem.
Schriller Lärm brandete Fran entgegen, als sie ihr Zimmer betrat. Das Tosen eines startenden Raumschiffs, vermischt mit dem klagenden Heulen eines Hundes und dem arhythmisch schrillen Klang der Hirtenhörner vom Deneb, unterlegt mit einem ständig wechselnden Takt - so empfand Fran die Musik. Äther-Streams, ein hochtrabender Name für ein nervtötendes Gejaule.
»Shimmi, schalt das ab!«
Eine Barbarenhorde marschierte jetzt unter Schwerterklirren in eine Arena ein. Eisentüren knarrten in ihren Scharnieren, die Meute auf den Rängen tobte.
»Gleich!«, kam Shim Caratechs Antwort.
Fran marschierte, schon halb entkleidet, in den Nebenraum. Shim Caratech war nicht da, Schikago lag träge und lang ausgestreckt neben seinem Körbchen. Die Katze blinzelte und streckte sich, als Fran näher kam.
Shims Haarspange und der dazugehörige Steckspeicher lagen auf dem Bett. Shimmi hatte die Soundanlage des Zimmers angeschlossen.
Fran drehte die Lautstärke herunter. Jetzt hörte Fran auch, dass Shim unter der Dusche stand.
»He, was ist los?«, rief das Mädchen. »Wer nimmt den Sound weg?«
»Ich. Bevor das ganze Hotel zusammenläuft.« Fran ging in ihren Raum zurück. Vorsichtig streifte sie die Stiefel ab und schälte sich vollends aus dem Cat-Suit. Gleich darauf stand sie ebenfalls unter der Dusche und genoss die prickelnden, offenbar mit einem belebenden Zusatz angereicherten Wasserstrahlen.
Als sie die die Nasszelle wieder verließ, lag Schikago auf ihrem Bett. »Verschwinde!«, herrschte Fran die Katze an. »Hier hast du nichts verloren.«
Schikagos Fauchen meldete unverkennbar Besitzansprüche an. Aber Fran Imith war nicht Quart Homphé, sie packte zu, hob die Katze vom Bett und schob sie mit Schwung über den Boden. »Du bist zu fett, meine Liebe, und jetzt raus hier!«
Sekunden später dröhnte wieder der apokalyptische Weltuntergang aus dem anderen Zimmer herüber.
»Shim!« Keine Antwort. »Mach wieder leiser, Shimmi!« Nichts geschah. Fran stürmte nach nebenan - und blieb abrupt stehen. Shim Caratech stylte sich wie für eine der Megapartys im Erdorbit. Ihre schwarze Hose saß viel zu eng. Das weiße Hemd hatte sie am Bauch zusammengeknotet. Dazu hatte sie sich die blauen und roten Ketten, die sie schon im Bus getragen hatte, wieder um den Hals geschlungen. Die gut fünf Zentimeter durchmessenden blauen Ohrringe waren neu, vermutlich hatte sie sie in ihrer Tasche herumgetragen.
Mit ihrer winzigen Dose Haarspray und einer unglaublichen Ausdauer malträtierte Shim Caratech ihr Haar. Die ersten Strähnen standen schon verdreht und spitz nach außen gerichtet wie Lanzen. Sie reagierte noch immer nicht auf Frans Proteste. Erst als Fran abermals den Tron abdrehte, wandte sie sich um.
»Warum machst du das?«
»Ich will verhindern, dass sie uns Sicherheitsbeamte auf den Hals hetzen.«
»Das ist Musik«, sagte Shim seufzend.
»Sie ist
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