PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
betrachtet, und verschieden ist, wenn man ihn von außen betrachtet. In diesem Sinn setzt sich die Zeit im Wurmloch anders fort als im äußeren Universum, wenn die beiden Öffnungen sich relativ zueinander bewegen. Aus diesem unterschiedlichen zeitlichen Verhalten folgt, dass eine unendlich fortgeschrittene Zivilisation aus einem einzigen Wurmloch eine Zeitmaschine konstruieren kann.«
Aufgrund der Zeitdilatation, die Einstein beschrieben hat, gehen die Uhren an der bewegten Öffnung langsamer als die Uhren an der ruhenden. Folglich zeigt die bewegte Uhr einen früheren Zeitpunkt an als die ruhende. Das ist zumindest der Fall, wenn man sie von außen betrachtet. Vom Wurmloch aus gesehen stimmt der Zeitfluss an beiden Pforten überein.
Hat ein Raumfahrer also ein kleines Wurmloch im All gefunden, beschleunigt dann auf BeinaheLichtgeschwindigkeit und fliegt mit einem Ende des Wurmlochs im Schlepptau davon, wendet und kehrt schließlich zum Ausgangspunkt zurück, sind für seinen Zwillingsbruder dort, der das andere Ende bewacht hat, vielleicht Jahrzehnte vergangen, ohne dass der Raumfahrer selbst besonders gealtert ist. Dieses Zwillingsparadoxon lässt sich durch das Wurmloch nun aber aufheben. Der zurückgebliebene Bruder braucht ja bloß durch die bewegte Öffnung des Wurmlochs zu schlüpfen, sobald sein Bruder sie wieder brachte, und gelangt so in seine eigene Vergangenheit - zurück zu seinem jüngeren Selbst, das gerade erst vom Zwillingsbruder verlassen wurde. (Allerdings ist es unmöglich, in eine Vergangenheit zu reisen, die weiter als der Zeitpunkt zurückliegt, in dem das Wurmloch erstmals als Zeitmaschine eingesetzt wurde!) Umgekehrt kann sich sein jüngeres Selbst durch die ruhende Öffnung des Wurmlochs in die Zukunft katapultieren.
Wurmloch-Zeitmaschinen setzen nicht einmal zwingend relativistische Bewegungen eines Schlundes voraus. Die russischen Physiker Igor Novikov, inzwischen an der Universität von Kopenhagen, und Valeri Frolov, mittlerweile an der University of Alberta im kanadischen Edmonton, haben 1990 geschlossene zeitartige Kurven konstruiert, die durch ein Wurmloch laufen, dessen beide Schlünde unterschiedlichen Gravitationspotenzialen ausgesetzt sind - wenn einer sich beispielsweise in der Nähe eines Neutronensterns befindet, der andere weiter entfernt. Hier wird die schwerkraftbedingte Zeitdilatation ausgenützt - Albert Einstein hat ja entdeckt, dass Uhren umso langsamer gehen, je stärker die Gravitation auf sie wirkt (am Rand eines Schwarzen Lochs stehen sie, aus sicherer Distanz betrachtet, sogar still).
»Hier darf nicht vergessen werden, dass Einsteins Relativitätstheorie auch so heißt, weil sie die Relativität der Zeit nachgewiesen hat. Wenn man von außen auf die beiden Uhren sieht, tickt die eine langsamer als die andere. Betrachtet man die Uhren vom Inneren des Wurmlochs aus, ticken sie identisch«, erläutert Novikov. Zeitreisende brauchen bloß zu warten, bis der Unterschied zwischen den beiden Wurmloch-Enden groß genug ist und können dann - gegebenenfalls beliebig oft hintereinander - durch die Zeit springen. Freilich gilt auch hier: »Die Zeitmaschine erlaubt es dem Reisenden nur, Vergangenheiten zu besuchen, in denen sie bereits existierte.«
Peter Aichelburg und Friedrich Schein von der Universität Wien haben mit Werner Israel von der University of Alberta im kanadischen Edmonton 1996 eine analoge Zeitmaschine ersonnen, bei der ein bewegungsloses Wurmloch zwischen (allerdings unendlich langen) Strings gleichsam aufgehängt ist. Zur Stabilisierung des Wurmlochs wird auch hier exotische Materie mit negativer Masse benötigt. Raumfahrer, die durch das Wurmloch fliegen, können in ihrer eigenen Vergangenheit herauskommen, wenn der Masse-Unterschied der beiden Öffnungen hinreichend groß ist.
Ein halbes Jahr später konstruierten Aichelburg und Schein eine noch raffiniertere und physikalisch plausiblere Zeitmaschine. Dabei verknüpften sie ein Schwarzes Loch mit zwei Wurmloch-Schlünden. Diese müssen von Materieschalen mit gleicher elektrischer Ladung umgeben sein, die sich abstoßen und damit verhindern, dass die Wurmloch-Schlünde durch die Gravitation des Schwarzen Lochs in dieses hinein-gerissen werden. Das Schwarze Loch ist vom Reissner-Nordström-Typ, das heißt ebenfalls elektrisch geladen.
»Was die Gravitationskräfte betrifft, die an den beiden Schlünden wirken, ist dieses Wurmloch völlig symmetrisch. Der von außen feststellbare Zeitunterschied an
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